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#709

Das Buch der Erfindungen, Gewerbe und Industrien, 1885, Bd. II; Leipzig, Berlin: Spamer; S. 246-248 (I); 248-249 (II); 258 (III)

Die Laterna magica oder Zauberlaterne / Nebelbilder / Die Wunderscheibe und die Wundertrommel

(I) Die Laterna magica oder Zauberlaterne.

Dieser Apparat ist schon lange bekannt und wahrscheinlich von Athanasius Kircher um 1640 erfunden worden, obwohl manche behaupten wollen, Roger Baco habe sich schon vier Jahrhunderte früher derselben Vorrichtung bedient. Er ist in letzterer Zeit wieder dadurch öfters zur Vorführung gelangt, dass man ihn zur Hervorrufung der sogenannten Nebelbilder, Dissolving views, und zur vergrösserten Darstellung mikroskopischer Gegenstände benutzt. Apparate für den letztgenannten Zweck heissen, je nachdem die Lichtquelle eine gewöhnliche Lampe oder ein in verbrennendem Hydrooxygengas glühender Kalkkegel oder die Sonne ist, Lampen- [Lampenmikroskope], Hydrooxygengas- [Hydrooxygengasmikroskope] oder Sonnenmikroskope. In ihrer inneren Einrichtung unterscheiden sie sich nicht wesentlich von der Laterna magica. Dieselbe besteht ihrem äusseren Ansehen nach aus einem rundum geschlossenen Kasten mit einem vortretenden Rohr an einer Seite (s. Fig. 259). Im Innern befindet sich eine hellbrennende Lampe und hinter ihr zur Verstärkung der Beleuchtung ein Hohlspiegel, der alle Lichtstrahlen parallel nach vorn wirft. In dem Rohre stehen zwei konvexe Linsen, am besten eine plankonvexe und eine doppelt konvexe, und zwischen der hintersten Linse und der Flamme, etwas hinter dem gemeinschaftlichen Brennpunkte beider Linsen, befindet sich ein Spalt zum Einschieben von Glasplatten, auf welche die darzustellenden Gegenstände in durchsichtigen Farben gemalt sind. Die das Bild durchdringenden Lichtstrahlen werden von den Linsen gebrochen und gekreuzt.

Wenn sie auf einer Fläche aufgefangen werden, entsteht demzufolge ein verkehrtes Abbild des gemalten Bildes, und zwar, weil die gefärbten Strahlen divergierend aus dem Apparate kommen, ein um so grösseres, je grösser der Abstand zwischen dem Apparat und der auffangenden Fläche ist. Es geht dabei nichts andres vor, als was Fig. 251 auf Seite 240 im Schema versinnlicht. Die Glasgemälde müssen, weil man die Bilder in aufrechter Stellung braucht, umgekehrt eingeschoben werden. Die letzteren können entweder in einem dichten Rauche oder auf einer weissen Wand aufgefangen werden, welche man aus feinem weissen oder geöltem Papiere oder aus dünnem Musselin über einen Rahmen gespannt anfertigt. Begreiflicherweise kommt bei Effekten der Zauberlaterne viel darauf an, wie gut die Darstellungen auf die Gläser gemalt sind. Die Wirkung wird noch überraschend verstärkt, wenn die ausserhalb des farbigen Bildes liegenden Stellen des Glases dunkel gemacht sind, so dass das Bild auf schwarzem Grunde hell hervortritt. Weisse Bilder also, z. B. Geistererscheinungen, werden in schwarze Deckfarbe einradiert, womit die Glasplatte auf einer Seite überzogen ist.

Der berühmte Physiker und Luftschiffer Robertson gab gegen den Anfang dieses Jahrhunderts Vorstellungen von Geistererscheinungen, die alle Welt in Erstaunen setzten. Lange Zeit vermochte niemand zu ergründen, welche Mittel hierbei in Bewegung gesetzt wurden, und es dauerte eine Reihe von Jahren, ehe das Geheimnis, nicht durch Erraten, sondern durch Verrat, an den Tag kam. Es war nichts andres als die Zauberlaterne mit einigen mechanischen und theatralischen Zuthaten, von Robertson Phantaskop [Fig. 260] genannt. Man hat sich den Zuschauerraum durch eine Zwischenwand gänzlich von dem Raume getrennt zu denken, in welchem der Künstler operiert. Ein inmitten dieser Wand befindlicher Schirm von aufgespanntem Musselin ist durch Drapierungen verhüllt, die erst dann weggezogen werden, nachdem vor Beginn der Vorstellungen alles verfinstert worden. Da aber auch hinter der Musselinwand alles andre Licht beseitigt ist, ausser dem, welches aus dem Zauberkasten mit den Bildern selbst kommt, so sieht man das leichte Gewebe nicht, sondern eben nur eine Figur, die frei in der Luft zu schweben scheint, bald dem Zuschauer erschreckend nahe rückt; bald sich in weite Ferne verliert. Diese Wandlungen nun werden ebenfalls in höchst einfacher Weise bewirkt. Je weiter der Zauberkasten von der Fläche absteht, auf welcher die Bilder sich niederschlagen, desto grösser werden letztere; je näher der Kasten rückt, desto kleiner, bei der allernächsten Stellung natürlich nicht viel grösser als die Öffnung des Linsenrohres. Die kleinen Bilder nimmt aber der Zuschauer auf der andern Seite für entferntere, die grossen für nahestehende. Ferner hat das Rohr einen Auszug, vermöge dessen der Abstand der beiden Linsen vergrössert oder verkleinert werden kann.

Durch die verschiedene Stellung kann man die Umrisse mehr oder weniger deutlich hervortreten lassen und der Eindruck des Sichentfernens wird dadurch, dass das Bild kleiner gemacht wird, auf diese Weise täuschender. Es bedarf nun, um die Erscheinung natürlicher zu machen, nur noch einer Vorkehrung dahin, dass die Bilder, sowie sie auf einen kleinen Raum zusammenrücken, nicht zugleich an Lichtstärke zu- [zunehmen] sondern vielmehr abnehmen. Dies wird ohne Schwierigkeit durch eine vor den Linsen befindliche bewegliche Blendung bewirkt, die Robertson das Katzenauge nannte und die man sich wie eine Schere mit breiten, halbmondförmigen Blättern vorstellen kann, welche zu beiden Seiten der vorderen Linse liegen und sich so über dieselbe zusammenziehen lassen, dass jeder beliebige Grad von Lichtschwächung bis zur völligen Verdunkelung leicht hergestellt werden kann. Durch geschickte Kombination dieser Mittel also, Annäherung und Entfernung des Apparates, Veränderung der Lichtstärke und Verstellung der Linsen, wurden die geisterhaften Erscheinungen hervorgebracht. Eine passende Musik, etwas künstlicher Donner, Sturm oder Regen, diente zur Verstärkung des Eindrucks. Sowohl der Künstler wie auch der Apparat gehen natürlich immer auf Socken, indem letzterer auf mit Tuch beschlagenen Rädern unhörbar von einer Stelle zur andern geschafft wird. - Die Anwendungen, welche schlossen, gemacht worden sind, haben zum bei weitem grössten Teile den Charakter gewöhnlicher Schaustellungen nicht überschritten. Zu einem wirklich nützlichen Instrument [Fig. 262] ist sie aber für die Pariser während der langen Dauer der letzten Belagerung geworden, indem es mit ihrer Hilfe allein möglich wurde, eine wenn auch immerhin noch beschränkte Korrespondenz über den "eisernen Gürtel" der einschliessenden Belagerungsheere weg zu unterhalten. Wir wissen, dass die Beförderung von Briefen aus dem Innern der Stadt hinaus - da sie durch unsre Aufstellung hindurch nicht stattfinden konnte - über dieselbe hinweg mittels Luftballons bewerkstelligt wurde. Allein wenn es auch möglich war, einen Luftballon zu expedieren mit Aussicht auf den Erfolg, dass derselbe auf befreundetem Gebiete den Boden erreiche, wo sein Inhalt weiterbefördert werden würde, so war es doch unausführbar, auf demselben Wege von aussen in das Innere von Paris Nachrichten gelangen welche man vorher per Ballon aus Paris hinausgeschafft hatte, boten dazu die einzige Gelegenheit. Dieselbe ist auch in ausgedehnter und vortrefflich organisierter Weise benutzt worden, so dass man Briefe, Depeschen, ja ganze Zeitungsblätter mit Hilfe photographischer Reduktionsapparate auf das geringst mögliche Mass verkleinerte, dieselben auf ein Blatt zusammenstellte, welches eben nicht grösser sein durfte, als es in einer Federpose Raum fand, die man der heimkehrenden Taube unter den Flügeln befestigte. Und zwar bedienten die Franzosen sich gleich des photographischen Negativs für die Übersendung, wodurch sie einmal den Vorteil gewannen, eine doppelte photographische Übertragung bei der Übersetzung zu umgehen, dann aber auch sicher waren, dass jeder, welcher mit den gehörigen Apparaten zur Wiedervergrösserung nicht versehen war, die Schrift keinesfalls entziffern konnte. Denn wie vorsorglich auch von unsrer Seite immer der Krieg geführt worden ist, an derartige photographische und mikroskopische Ausrüstung hatte man doch nicht gedacht. In Paris wurden die Blätter, welche ganze Sammlungen von einzelnen Korrespondenzen enthielten, zuerst wieder photographisch vergrössert, sodann aber durch ein Lampen- [Lampenmikroskop] oder Hydrooxygengasmikroskop auf eine helle Wand geworfen, von der die Depeschen abgelesen, abgeschrieben und an ihre speziellen Adressen befördert wurden.

(II) Nebelbilder. [Fig. 261]

Durch diese von England zu uns gekommenen Darstellungen gewann die Zauberlaterne ein erneutes Interesse, denn kein andrer Apparat ist es, wodurch die bekannten, oft so reizenden Effekte hervorgebracht werden. Nur ist der Zauberkasten hier doppelt vorhanden und das Zwillingspaar in eine solche Stellung zu einander gebracht, dass beide mit ihren Öffnungen nach einem Punkte des Auffangschirmes hinsehen, dass also beide Lichtkreise dort in einen zusammenfallen. Schiebt man in den einen Kasten ein Glasbild, während das Licht des andern verdeckt gehalten wird, so sieht man auch nur ein einziges Bild. Dasselbe soll sich aber vor unsern Augen in ein andres verwandeln, welches in dem noch verdunkelten Kasten schon bereit steht.

Es wird dies in einfacher Weise dadurch erzielt, dass man die erste Lampe allmählich blendet und gleichzeitig in demselben Masse das Licht der andern freimacht. Hierdurch fängt das bisher sichtbar gewesene Bild an zu erblassen und undeutlicher zu werden, denn es mischen sich in seine Farben und Konturen allmählich die Umrisse des neuen Bildes, welche immer kräftiger werden und, sowie die Reste des ersten Bildes verschwinden, deutlicher hervortreten, bis das neue Bild in voller Klarheit vor uns steht. Wenn man sich keines Katzenauges bedienen kann, so ist der Lichtwechsel auch dadurch schon ganz entsprechend hervorzurufen, dass man durch Auf- [Aufschrauben] oder Niederschrauben der Flamme den beiden Bildern eine verschiedene Helligkeit gibt. Die Verwandlung einer Sommerlandschaft in eine Winterlandschaft mit denselben Gebäuden, Bergen, Bäumen u. s. w. gelingt auf solche Weise fast unmerklich, und es ist im höchsten Grade überraschend, die Entwickelung eines völlig fremden Gemäldes zu sehen, dessen Übergänge wir durchaus nicht wahrzunehmen vermögen und das schon fertig vor unsern Blicken steht, ehe wir uns seiner völlig bewusst geworden sind. Es gibt noch allerhand kleine Behelfe, um Abwechselung in derartige Vorstellungen zu bringen. So kann man mehrere Gläser hintereinander aufstellen und durch Hin- [Hinziehen] und Herziehen des einen Bewegung in die Gegend bringen, einen Eisenbahnzug hindurchgehen lassen und dergl. Schneefall z. B. wird dadurch dargestellt, dass man vor einer dritten Laterna magica einen langen, mit einer Stecknadel vielfach durchstochenen Papierstreifen mittels einer Kurbel von unten nach oben vorbeizieht.

(III) Die Wunderscheibe und die Wundertrommel.

Wer kennt nicht die kleinen Papierscheibchen, welche auf beiden Seiten mit verschiedenen Bildern bemalt sind, die, wenn man die Scheiben mittels eines daran befestigten Fadens in rasche Umdrehung versetzt hat, zu einem einzigen Bilde in unsrer Seele zusammenfallen, das die Bestandteile jener beiden Bilder enthält! Ein leerer Käfig auf der einen Seite, ein Vogel auf der andern lässt beim Drehen den Vogel im Käfig sitzend erscheinen - zahllose Zusammenstellungen ähnlicher Art sind in den Spielwarenhandlungen zu finden und führen den Namen Wunderscheibe oder Thaumatrop (in Paris im Jahre 1827 erfunden). Führt man in ähnlicher Art Zeichnungen aus, welche die verschiedenen Phasen eines sich bewegenden Körpers darstellen, und lässt in rascher Aufeinanderfolge diese Zeichnungen gesondert in das Auge gelangen, so wird dieses die Bewegung selbst zu sehen vermeinen, indem es die einzelnen Eindrücke zu einer ununterbrochenen Reihe verbindet, deren Anfang und Ende eine Ortsveränderung des Körpers zeigen, in welche wir denselben nach und nach gelangen sahen. Stampfer in Wien hat nach diesem Prinzip im Jahre 1832 seine stroboskopischen Scheiben konstruiert, die in der 1866 aus Amerika zu uns gekommenen Wundertrommel eine ganz besonders zweckmässige Ausführung erhalten haben.

Dieser Apparat ist ein hohler Cylinder von Pappe, der auf einem Zapfen in einem schweren Fusse ruht und in diesem in rasche Umdrehung versetzt werden kann. Die Wandung des Cylinders in der oberen Hälfte hat eine Anzahl Durchbrechungen, durch die man in das Innere sehen kann. Der untere Teil enthält die Bilder, welche in einer Anzahl verschiedener Zeichnungen die aufeinander folgenden Phasen einer Bewegung darstellen, wie z. B. die Bewegung der Füsse beim Laufen, das Werfen und Wiederauffangen eines Balles u. s. w. Von diesen Bildern sieht das Auge allemal eins, wenn bei der Drehung der Trommel ein Ausschnitt vorbeipassiert; der folgende Ausschnitt zeigt ein andres u. s. w., und aus diesen einzelnen Bildern setzt sich der überraschende Effekt zusammen, den wir alle mit grossem Vergnügen schon oft beobachtet haben und immer wieder gern beobachten.

[Bildertexte:]

Fig. 251: Reelles vergrössertes Bild der bikonvexen Linse

Fig. 259: Laterna magica

Fig. 260: Robertsons Phantaskop

Fig. 261: Laterna magica zu Nebelbildern

Fig. 262: Reproduktion photographischer Depeschen durch die Laterna magica während der Belagerung von Paris


Remark

I und II: auch in Ausgabe 1865

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