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#691

Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel., 18.12.1914, (Jg. 81) Nr. 293, S. 1784

Ein kinematographischer Film ist eine Druckschrift im Sinne des § 16 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb

Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 27. November 1911.

Nach § 16 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb kann der, der im geschäftlichen Verkehr die besondere Bezeichnung einer Druckschrift in einer Weise benutzt, die geeignet ist, Verwechslungen auf der besonderen Bezeichnung hervorzurufen, deren sich ein anderer befugterweise bedient, von diesem auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Dass auch ein Film als Druckschrift im Sinne des genannten Gesetzes anzusehen ist, wurde vom Oberlandesgericht Köln in einer kürzlich ergangenen Entscheidung bejaht. Der Fall, um den es sich handelte, lag folgendermassen: Die Filmfabrik Ambrosio in Turin hatte sich zuerst des Bulwerschen Romanstoffes für eine Kino-Darstellung unter dem Titel "Die letzten Tage von Pompeji" bemächtigt und das Eigentumsrecht an die Photo-Drama-Cie. zur Aufführung in Deutschland übertragen. Mit dem gleichen Titel kündigte der Kinobesitzer Br. die Vorführung eines Originalriesen Monopolfilms in Kölner Zeitungen an, der von der Firma V. u. H. in B. herausgebracht und von Pasquali in Turin hergestellt worden war. Hierin erblickte die Photo-Drama-Cie. einen Verstoss gegen die Bestimmungen des § 16 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und liess dem Br. durch einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln untersagen, seinen Film mit dem Titel "Die letzten Tage von Pompeji

anzukündigen. Br. legte hiergegen Berufung beim Oberlandesgericht Köln ein, jedoch ohne Erfolg. Die Berufungsinstanz trat der Beurteilung des Landgerichts bei und führte dazu etwa folgendes aus:

Das Landgericht hat mit Recht den kinematographischen Film als Druckschrift im Sinne des § 16 erklärt. Der Film enthält in der Tat alle diejenigen Merkmale, die das Reichsgericht im Anschluss an § 2 des Pressegesetzes vom 7. Mai 1874 für den Begriff einer Druckschrift als erforderlich annimmt: Danach sind Druckschriften nicht nur die Erzeugnisse der Buchdruckerpresse, sondern auch alle anderen durch mechanische oder chemische Mittel bewirkten, zur Verbreitung bestimmten Vervielfältigungen von Schriften und bildlichen Darstellungen mit oder ohne Schrift, auch Photographien. Der Film ist nun aber bekanntlich eine fortlaufende Kette photographischer Aufnahmen, die durch chemische Mittel vervielfältigt und in vielen Exemplaren zwecks Vorführung als Lichtbilder verbreitet werden. Aktiv legitimiert zum Anspruch auf Unterlassung aus § 16 UWG., also auch zum Antrag auf Erlass einer diesen Anspruch sichernden einstweiligen Verfügung gemäss § 25 UWG. ist der Eigentümer der Druckschrift (des Films), daneben aber auch derjenige, der als Lizenznehmer das ausschliessliche Benutzungsrecht an dem Film für einen bestimmten Bezirk erworben hat. Nun ist durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen glaubhaft gemacht worden, dass die Photo-Drama-Cie. von der Firma Ambrosio in Turin, der Herstellerin des Films, die ihm auch den Titel "Die letzten Tage von Pompeji" beigelegt hat, an diesem Film das Eigentum erworben und die ausschliessliche Lizenz für Deutschland auf Sch. übertragen hat. Die beiden Antragsteller sind daher, der eine als Eigentümer, der andere als Lizenznehmer zum Antrag auf einstweilige Verfügung aktiv legitimiert gewesen, da auch weiterhin feststeht, dass sie diese Qualitäten zur Zeit des behaupteten Missbrauchs des Titels durch die Antragsgegner und zur Zeit der Antragsstellung besassen. Der Antragsgegner hat nun im geschäftlichen Verkehr die gleiche Bezeichnung für den Pasquali-Film in einer Weise benutzt, die hohem Grade geeignet war, Verwechslungen seines Films mit dem der Antragsteller hervorzurufen. Schon die blosse Benutzung des gleichen Titels für einen anderen Film in demselben Orte und zur selben Zeit hätte sich als ein zu Verwechslungen Anlass gebender Missbrauch dargestellt. Die Gefahr der Irreführung des Publikums wurde aber in erhöhtem Masse durch die Art hervorgerufen, in der der Antragsgegner die Bezeichnung benutzt hat, nämlich dass er sich nicht nur mit einer einfachen Anzeige des Titels begnügte, sondern in der Annonce vom 2. September 1913 im "Stadtanzeiger" in fettgedruckter Schrift erklärte, er habe das "allgemeine Aufführungsrecht" . für dem "Original-Riesen-Monopol-Film: Die letzten Tage von Pompeji" erworben. Eine solche Art der Anzeige musste oder konnte wenigstens in dem breiten Publikum die irrige Meinung erwecken, der in der Kölner Presse allgemein so glänzend besprochene Film werde im Original nur im Theater des Antragsgegners gezeigt. Daran konnte auch die Hinzufügung in einer kleineren Schrift "Pasquali-Film" und die Bemerkung "Nicht zu verwechseln mit dem von anderen Fabriken hergestellten Film gleichen Titels" nichts ändern. Das grosse Publikum weiss meist nicht, aus welcher Fabrik ein Film stammt, und die Warnung vor Verwechslungen hat, wie die Erfahrung lehrt, gerade die Wirkung, die Verwechslungsgefahr noch zu vergrössern, indem das Publikum dadurch zu der irrigen Meinung gebracht wird, die anderen Darbietungen seien minderwertige Nachahmungen. Hiernach sind alle Voraussetzungen des § 16 UWG. nach der objektiven Seite erfüllt. Da auch mit Rücksicht auf die Nachteile, die den Antragstellern drohten, ein schnelles Eingreifen geboten war, so ist die einstweilige Verfügung mit Recht erlassen worden. (Aktenzeichen U. 236/l3.)

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