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Photographische Mittheilungen., 1891, (Jg. XXVIII) S. 92-93

[Photographische Mittheilungen. 1891 (Jg. XXVIII) S. ...]

Photographische Mittheilungen. 1891 (Jg. XXVIII) S. 92-93

Bewegungs-Untersuchungen mittelst Photographie.

Professor E. J. Marey, dessen Untersuchungen über die Bewegungen auf ebener Erde und in der Luft, aus dem Werke "Animal Mechanism" wohl bekannt ist, schreibt im "Paris Photographe" von den neuen Fortschritten dieser Anwendung der Photographie. Er erwähnt, dass uns Muybridge zu der jetzt historisch gewordenen Leistung der Momentphotographie einen sicheren Weg gezeigt hat, um die Bewegungen von Menschen und Tieren zu studieren. Er erkennt dann Muybridges Verdienste auf das Wärmste an und bemerkt, dass Vollkommenheit selten gleich am Anfang erreicht wird. Muybridges Methode litt noch an merklichen Fehlern, welche durch verschiedene Schwierigkeiten hervorgerufen wurden, Die Einführung von Gelatineplatten machte es möglich, bei kurzen Expositionen gut gezeichnete Bilder an Stelle der Silhouetten zu erhalten. Die Zeitintervalle, welche die einzelnen Bilder trennten, wurden gleichmässiger gemacht, was zur Bestimmung der Bewegungsphasen ein Haupterfordernis bildet. Das Zootrop, der Apparat zur Reproduzierung der photographierten Bewegungen, ist durch Anschütz vervollkommnet worden.

In Muybridge's Methode blieb jedoch noch ein Fehler zurück, welcher ihren Wert für wissenschaftliche Anwendungen sehr beeinträchtigte. Dieser Fehler ist durch die Benutzung einer besonderen Linse für jedes Bild, welches der Platte übertragen wird, veranlasst worden. Die grosse Batterie von photographischen Apparaten, welche auf das in Bewegung sich befindende Tier gerichtet ist, kann mit einer Serie von einzelnen Beobachtern verglichen werden, welche alle in einer Linie stehen und das Tier in etwas verschiedenen Stellungen sehen.

Die Veränderungen in der Perspektive sind gering, wenn der Apparat klein, der Gegenstand gross ist und sich in beträchtlicher Entfernung von den Linsen befindet. Nehmen z. B. 24 Kameras nur eine Strecke von 2 Metern ein und sind diese auf ein Pferd gerichtet, welches sich in 50 Meter Entfernung bewegt, so ist der Fehler unbedeutend. Bringt man aber ein kleineres Tier, wie einen Vogel, für einen Moment nahe den Linsen, so tritt ein Unterschied in der Perspektive auf, welcher Bewegungsuntersuchungen ganz unmöglich machen würde.

Hieraus ist ersichtlich, dass, um für physiologische Studien brauchbare Photographieen zu erhalten, die Anwendung einer einzigen Linse bedingt ist, sodass der sich bewegende Gegenstand von demselben Gesichtspunkt aus beobachtet werden kann.

Marey hat einige Jahre hindurch an einem Apparate nach letzterwähnten Prinzip gearbeitet. In seiner "Photochronographie" hat er verschiedene Wege angegeben, um mit sehr kurzer Exposition und geringen Zeitintervallen zwischen diesen Bilder von Erfolg zu erzielen.

In gewissen Fällen wird es notwendig hinsichtlich dieser Bewegungen, die Linsen auf ein Tier von weisser Farbe in hellem Sonnenschein von schwarzem Hintergrund zu richten. Man macht dann eine Reihe von Expositionen in kurzen Intervallen, welche auf einer empfindlichen Platte mehr oder weniger von einander getrennte Bilder, je nach der Schnelligkeit des sich bewegenden Gegenstandes, geben.

In anderen Fällen werden die Bilder auf einem sich entrollenden langen Band mit einer empfindlichen Schicht, wie Eastman films [!], photographiert, welches mittelst Mechanismus nach vollendeter Aufnahme zum Stillstand gebracht werden kann. Die Verwirklichung dieser schnellen und ruckweisen Bewegung bereitete viel Schwierigkeiten, die erhaltenen Resultate sind aber auch von grosser Bedeutung. In der That lasst sich die Photochronographie mittelst eines Rollbandes mit einigen Einschränkungen für alle Arten von bewegenden Gegenständen anwenden. Es ist kein unbedingtes Erfordernis mehr, nur mit weissen Gegenständen oder solchen von heller Farbe oder im hellem Sonnenschein zu operieren; auch ist ein schwarzer Hintergrund unnötig. Es genügt, dass der Gegenstand hell und gut beleuchtet ist und dass er einen contrastierenden Hintergrund hat.

Marey ist es nach neueren Experimenten gelungen, auch mikroskopische Gegenstande festzuhalten. Er hat schon Bilder von mikroskopischen Wesen von 1/1000 Durchmesser erhalten und zwar in Intervallen von 1/40 bis 1/60 einer Sekunde.

Langsame Bewegungen benötigen im Vergleich lange Expositionen, dagegen müssen bei schnellen Bewegungen, z. B. bei einem fliegenden Vogel oder Insekt, die Expositionen 1/40 bis 1/60 einer Sekunde betragen und die Aufeinanderfolge so schnell, als es die mechanischen Hilfsmittel erlauben, geschehen.

Fig. 1 stellt die doppelte Rotationsbewegung und Übersetzungslage eines quer über einen schwarzen Hintergrund geworfenen weissen Stockes dar. Fig. 2 giebt die Abbildung eines springenden Mannes. Die Bilder haben die Tendenz, sich einander zu decken und so etwas unübersichtlich zu werden. Dieses ist dadurch eingetreten, dass die Schnelligkeit des sich bewegenden Gegenstandes unzulänglich gewesen ist; man beobachtet dies besonders bei den Momenten, wo der Sprung beendigt wird. Diese Verwirrung steigert sich, wenn die Zahl der Bilder wächst oder wenn der Gegenstand von grosser Länge ist, wie z. B. ein Pferd. In diesem Falle ist es notwendig, der empfindlichen Oberfläche selbst Bewegung zu geben. Muybridge hat solche aufeinanderfolgende Bewegungen eines trabenden Pferdes gemacht.

Man kann die Bewegungen eines Tieres auch wie schon bemerkt in irgend einer Menagerie oder in einem zoologischen Garten studieren, ebenso Läufer, Gymnastiker etc. Es wurde zum Beweise ein Bild gezeigt, welches 20 aufeinanderfolgende Aufnahmen von einem Fechter, die in 2 Sekunden gemacht waren, enthielt. Solche photographierten Bewegungen gestatten nutzbringende Vergleiche zwischen richtigen und falschen Ausführungen gewisser Arbeiten und verschiedener Korperübungen zu beobachten. So hat Marey kürzlich einen Vergleich zwischen Fechtern angestellt, welcher grosse Bewegungsdifferenzen ergab.

Diese Vervollkommnung des Muybridge'schen Systems verbessert nicht nur die Perspektive, sondern giebt den Bildern auch eine grössere Gleichmässigkeit, indem hier die Bilder auf einem langen Bande sich befinden und gleichmässiger entwickelt werden können.

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