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Photographische Korrespondenz., 1890, Nr. 357, S.260-264; mit 3 Abb

[Photographische Korrespondenz. 1890, Nr.357, S.260-264; mit 3 ...]

Photographische Korrespondenz. 1890, Nr.357, S.260-264; mit 3 Abb.

Mittheilungen aus der k. k. Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie und Reproductionsverfahren in Wien.

XVJII.

Eder, J. M.

  1. Der Elektrotachyskop oder der elektrische Schnellseher von Ottomar Anschütz

Am 21. und 22. April war der bisher in Österreich noch nicht gesehene Anschütz'sche elektrische Schnellseher oder, wie der neue Name für die gegenwärtig verbesserte Form des Apparates lautet: der "Elektrotachyskop", durch die Freundlichkeit des Herrn Kauffmann (Vertreter des Herrn Anschütz) an der k. k. Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie vorgeführt.

Bekanntlich stellt 0. Anschütz in Lissa i. P. seine Momentbilder in rascher Aufeinanderfolge her, und gibt dadurch den ganzen Verlauf einer Bewegung genau wieder. Dies erreicht man durch Anwendung von 24 nebeneinander stehenden photographischen Cameras, vor welchen sich das zu photographirende Object - Mensch oder Thier - vorüberbewegt. Eine elektrische Vorrichtung bewirkt das Auslösen und Schliessen der photographischen Cameras in rascher, regelmässiger Aufeinanderfolge.

Anschütz erzielt z. B. in der kurzen Zeitdauer von 0.72 Secunden 24 aufeinanderfolgende verschiedene Aufnahmen, so dass auf jede Aufnahme 0.03 Secunden entfällt. Mittelst eines elektrischen Tactmessers (Metronom) regulirt er genau die Pausen zwischen den einzelnen Aufnahmen. In ihrem Verfolg geben nun diese diversen Aufnahmen ein getreues Bild der ganzen Bewegung, welche das in Rede stehende Object innerhalb der Zeit von 0.72 Secunden ausführte. Damit war nun bis jetzt in Bezug auf die Zeitdauer sowohl als auf die Anzahl der Aufnahmen die Maximalleistung erreicht; es ist jedoch selbstverständlich, dass sich die Zeitdauer auch entsprechend vergrössern lässt. Nun machte sich Anschütz daran, diese 24 einzelnen Bilder zu einem Ganzen zu vereinigen, und stellte viele Versuche in dieser Richtung an.

Am besten kann man die Lebendigkeit jeder Bewegung aus den Momentphotographien völlig naturtreu wiedergeben, wenn man die aufeinander folgend gemachten Momentbilder an eine sich rasch drehende sogenannte stroboskopische Scheibe bringt. Die verschiedenen, rasch aufeinanderfolgenden Bilder verschmelzen zu einer einzigen Lichtempfindung. Es ist höchst merkwürdig, dass der Gesammteindruck einer zusammengehörigen Reihe von Momentphotographien im Stroboskop völlig naturwahr ist, während die Einzelbilder dem Beschauer unnatürlich und fast als Caricaturen erscheinen. Besonders täuschend sind die Bewegungsmomentbilder, wenn die vor dem Auge vorbeibewegten Momentbilder mit Hilfe elektrischer Funken kurz, aber kräftig beleuchtet werden.

Als Ausgangspunkt diente für Anschütz die von Strampfer [Stampfer] im Jahre 1832 erfundene, bekannte stroboskopische Scheibe. Bei der ersten Form des "elektrischen Schnellsehers", welchen Anschütz im Jahre 1887 erfand und in Berlin ausstellte, waren die Reihenbilder (Glasdiapositive) kreisförmig auf einer Stahlscheibe angeordnet (1). An der höchsten Stelle befand sich eine Opalscheibe, hinter welcher mittelst einer Geissler'schen Röhre die Beleuchtung des Bildfeldes erfolgte. Diese Art der elektrischen Beleuchtungsvorrichtung ist auch bei der neuen Form des Anschütz'schen Elektrotachyskops (1890) beibehalten, während die Form des Stroboskops geändert wurde. Statt der rotirenden Scheibe ist eine rotirende Trommel (eine Art Rad) angewendet, wodurch einerseits der Apparat handlicher und weniger voluminös wird, und anderseits nebeneinander verschiedene Bilder dem Beschauer vorgeführt werden, während bei der Scheibenform blos eine Bilderserie betrachtet werden konnte und dann die Diapositive ausgewechselt werden mussten.

Der Elektrotachyskop (in seiner neueren Form) besteht aus einer rasch beweglichen Trommel von 65 cm Durchmesser, auf welcher eine Anzahl durchsichtiger Bromsilber-Gelatinebilder (auf biegsamen Blättern) vom Formate 9: 12 cm angebracht ist. An einer Öffnung des Kastens, welcher das Rad einschliesst, befindet sich ein Opalglas, hinter welchem eine spiralförmig zu einer Kreisfläche gewundene, sogenannte Geissler'sche Röhre liegt. Durch diese, äusserst verdünnte Luft enthaltende Röhre wird der kräftige elektrische Funke eines Inductions-Apparates in dem Momente geleitet, wo sich ein Bild des rotirenden Rades davor befindet. Dieser Funke wird nach weniger als ein Tausendstel Secunde wieder unterbrochen, so dass die Röhre ihr schönes Licht nur für diese kurze Zeit aussendet.

Fig. 1 zeigt die Ansicht des Apparates, welcher in einen Kosten eingeschlossen ist. Die Figur stellt den Apparat nach dem Abheben des oberen Theiles des Kastens dar, wodurch die Trommel A, welche sich um die Welle B mittelst der Kurbel (7 dreht, sichtbar wird. Um die Peripherie der von dünnen Stahl-Stäben getragenen Trommel A sind die Momentbilder E (in unserer Figur fünf Serien) angebracht. Bei D D befinden sich Schaufenster (Sehfelder), welche mit einem gewöhnlichen Spiegelglas (zum Schutze für die Diapositive) versehen sind. Hinter dem Glase bewegen sich an der Peripherie der Trommel die Diapositive vor dem Auge des Beschauers vorbei. Die Lichtquelle (Geissler'sche Röhre) befindet sich hinter dem Diapositive, und eine zwischen Lichtquelle und Diapositiv eingeschaltete Milchglasscheibe mildert das aufblitzende Licht der von den elektrischen Funken durchflossenen Geissler'schen Röhre.

Fig. 2 stellt diese Anordnung schematisch dar; D ist das im Kasten angebrachte Schaufenster, A die mit den Diapositiven belegte Trommel, E eine Milchglasplatte, F eine spiralförmig gewundene, mit elektrischen Leitungsdrähten verbundene Geissler'sche Röhre.

So oft nun ein Momentbild das Schaufenster beim Drehen der Trommel passirt, durchschlägt ein elektrischer Funke die Geissler'sche Röhre und erhellt das Sehfeld. Dies wird durch einen eigenthümlichen "Stromunterbrecher" bewirkt, welcher den Contact einer elektrischen Leitung in dem Augenblicke schliesst, wo das Bild sich vor dem Sehfelde befindet.

Fig. 3 gibt ein Bild dieser Einrichtung. Die Achse B trägt an ihrem Ende ein starkes Eisenrad G, welches ungefähr 10 cm breit ist; dieses Eisenrad besitzt an der Peripherie 24 Vertiefungen, welche den 24 aneinander gereihten einzelnen Diapositiven entsprechen. Ein kleiner, aus Horn verfertigter Stab a dreht sich um die Achse b und liegt auf dem Rade G derartig auf, dass die an letzterem eingeschnittenen Vertiefungen ein sprungartiges Heben und Senken des Hornstabes beim Drehen der Vorrichtung bewirken. Das Ende dieses Hornstabes hebt die Metallfeder c, welche diese Bewegung einem Metallstift d mittheilt; dadurch wird der Contact der Metallspitze mit der Unterlage e in rascher Aufeinanderfolge unterbrochen oder geschlossen. Verbindet man also die Elektroden eines Ruhmkorff'schen Funkengebers einerseits mit der Geissler'schen Röhre, anderseits mit dem erwähnten Unterbrecher, so wird der Funke bei einer Radumdrehung 24mal (entsprechend den 24 Vertiefungen des Eisenrades) aufblitzen, d. i. so oft, als die 24 Bilder der Trommel das Sehfeld passiren.

Ist nun das Zimmer verdunkelt und wird die Scheibe rasch genug gedreht, um die Bilder in ungefähr 1/30 Secunde aufeinander folgen zu lassen, so erglänzt die Opalscheibe in scheinbar cotinuirlichem [kontinuierlichen] Lichte und vor ihr sieht man die Bewegung, die durch die Reihenaufnahme dargestellt wurde, im zierlichsten Massstabe und in schöner Vollendung. Der Eindruck dieser Erscheinung ist in Folge der hohen Naturwahrheit ein ungemein überraschender und anziehender. Gegenwärtig zeigt das Elektrotachyskop sechs verschiedene Bewegungsbilder, nämlich einen laufenden Hund, marschirende Soldaten, springende Menschen und Pferde etc. Bei dem Bewegungsbilde des über ein Hinderniss setzenden Reiters fällt die Formvollendung der Bewegung des Pferdes auf und es überrascht die Genauigkeit der nebensächlichen Umstände, z. B. die emporgeschleuderte und wieder herabfallende Sandwolke, welche durch die Gewalt des Sprunges durch das Pferd in Bewegung gesetzt wurde. Es ist ein grosser Fortschritt der Photographie, dass sie nicht nur einzelne Bewegungsphasen abbildet, sondern auch durch das Stroboskop oder den elektrischen Schnellseher in ihrer vollen Ursprünglichkeit wieder vor unseren Augen aufleben lässt.

(1) Siehe Eder's Jahrbuch der Photographie für 1888, pag.176.

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