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Die Photographische Industrie., 1914, Heft 18, S. 519; Heft 21, S. 593-595

[Die Photographische Industrie. 1914, Heft 18, S. 519; Heft 21, ...]

Die Photographische Industrie. 1914, Heft 18, S. 519; Heft 21, S. 593-595

Walter Thielemann.

Die astronomische Kinematographie.

Bekanntlich hat sich die astronomische Wissenschaft schon seit langem die photographische Platte dienstbar gemacht und sie verdankt der Photographie ausser getreuen Bildern der Sonne, der Sonnenflecken, des Mondes und den Bildern der Fixsterne noch manche anderen grossen Entdeckungen. Überhaupt war ja die optische Technik der wichtigste Wegweiser für die Astronomie; sie gab dem forschenden menschlichen Geist auf Meilenmillionen das sichere Geleit.

Die Kinematographie hingegen hat man bisher noch recht wenig zu diesen Forschungen herangezogen, und wie sich die Erfindung des Kinematographen auf dem Gebiete der Astronomie am besten verwerten lässt, steht noch dahin. Mit Sicherheit aber ist zu erwarten, dass die Kinematographie, auch in der Astronomie dem Gelehrten und Forscher ein unentbehrliches Hilfsmittel sein wird.

Wie erinnerlich sein dürfte, gelang es der bekannten Firma Messter im Jahre 1912, die ringförmige Sonnenfinsternis am grossen Refraktor der Treptower Sternwarte (bei Berlin) auf den Film zu bannen. Auch die Firma Gaumont in Paris konnte seinerzeit kinematographische Aufnahmen der Sonnenfinsternis machen und so wurden seltene Dokumente wissenschaftlicher und belehrender Kinematographie geschaffen.

Die Frage der Verwendung des Kinematographen für astronomische Beobachtungen verdient vom allgemeinen astronomischen Gesichtspunkte aus grosse Aufmerksamkeit und es ist nicht zu bezweifeln, dass aus den bis jetzt gemachten Versuchen eine rationelle und praktische Anwendung der Kinematographie auf die astronomische Wissenschaft sich ergeben wird. Man muss gestehen, dass mit der Kinematographie, die sich in den Dienst der Wissenschaft gestellt hat, schon wirklich bewundernswerte Fortschritte gemacht worden sind und deshalb verdient die neue Kunst unsere ganze Bewunderung und unsere weitestgehende Hilfe und Aufmunterung.

Man hat bereits, um die Idee einer kinematographischen Demonstration der Astronomie zu nähren, die Kugeln der verschiedensten Elemente und zwar mit allen ihren charakteristischen Details rekonstruiert und sie unter allen ihren Phasen kinematographiert, indem man die Kugeln sich drehen liess, um sich so eine genaue Vorstellung ihrer Konfiguration zu machen.

So wäre es nicht allein für die Allgemeinheit äusserst interessant, sondern auch für die astronomische Wissenschaft von grosser Bedeutung, wenn man mit Hilfe des Kinematographen die genaue, treue und bleibende Aufnahme der Phänomen erzielen konnte, von denen der ewige Zug der Welten in die Unendlichkeit begleitet wird. Freilich wird man noch hier sehr viel Arbeit aufwenden müssen, denn die Aufnahmen, die bereits gemacht wurden, sind ungenügend, die erhaltenen Bilder sind sehr klein und die Vergrösserungen taugen nicht viel.

Es ist weiterhin zum Beispiel möglich, dass man die Evolutionen und Transformationen des Mars kinematographisch festhalten kann, jedoch sind diese Aufnahmen mit mancherlei Schwierigkeiten verknüpft, da es sich Mm grosse Entfernungen und aussergewöhnliche Schnelligkeit der Sternbewegungen handelt.

Vom Monde besitzen wir jedoch schon eine ganze Reihe guter Aufnahmen. Die Kluft bis zu unserem Monde überbrücken wir durch das Fernrohr, welches uns cölestische Gegenstände bis auf 100 km nahe bringt. Auf der Erde würden wir in diesem Abstand wegen der Trübung durch die Atmosphäre kaum etwas erkennen können; auf hohen Bergen sehen wir viel mehr und von den Mondobjekten erkennen wir an den langen Schatten selbst solche, die nur 10 m Ausdehnung haben. Durch geeignete Beleuchtung erzielte man bereits Schattenlängen von über 30facher Höhe der Objekte.

So ersieht man aus den kurzen Andeutungen, dass die Kinematographie es ermöglicht, der Astronomie eine neue Beobachtungsform zu geben und es ist sogar nicht tu bezweifeln, dass man früher oder später die unumgänglich notwendigen optischen Zusammenstellungen finden wird, die man gebraucht, damit die astronomischen Aufnahmen wirklich gute Resultate ergeben.

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K. H.

Kino-Phantasien.

In der Abhandlung des Herrn Walter Thielemann in Nr. 18 der "Photographischen Industrie" unter dem Titel "Die astronomische Kinematographie" sagt der Verfasser unter anderem, dass die Kinematographie in der astronomischen Forschung noch sehr wenig herangezogen wurde. Das ist aber auch ganz erklärlich, denn schon die Herstellung guter Astro-Photographien, ganz abgesehen von kinematographischen Aufnahmen, ist durchaus nicht so einfach wie Herr Thielemann es sich vielleicht denken mag. Bei der Sonne freilich ist es nicht schwierig, kinematographische Aufnahmen einer Sonnenfinsternis herzustellen. Ganz anders verhält es sich aber schon bei einer einfachen Photographie des Mondes. Obgleich die Photographie auch bei Mondaufnahmen sehr viel Arbeit am Fernrohr zu ersparen vermag, ist sie doch noch keineswegs imstande, die Beobachtung im Fernrohr ganz zu ersetzen, denn für die geringe Helligkeit des Mondes ist selbst die empfindlichste Trockenplatte noch immer zu unempfindlich und länger als einige Sekunden kann man nicht exponieren, ohne an der Schärfe des Bildes Einbusse zu erleiden. Weiter ist aber auch das Korn hochempfindlicher Platten viel zu grob, um eine nachträgliche Vergrösserung zu gestatten. Längere Expositionen sind wegen der Eigenart der Mondbewegung kaum anzuwenden, denn der Mond bewegt sich unter den Sternen viel schneller als diese. Nun könnte man ja das Uhrwerk des Fernrohres dieser Möndbewegung anpassen, aber vorläufig besitzen wir noch kein Uhrwerk, das ohne Nachkorrektur des Beobachters während 10 Minuten genau läuft. Eine Nachkorrektur seitens des Beobachters würde aber wieder der Schärfe des Bildes Abbruch tun. Daraus schon ersieht man, welche Schwierigkeiten eine kinematographische Aufnahme des Mondes bereiten würde, und zwar eine Aufnahme in solcher Vergrösserung, dass man auch die Krater des Mondes bei der Projektion genau erkennen kann, denn nur dann hat ja eine kinematographische Aufnahme überhaupt Wert.

Ungleich schwieriger gestaltet sich aber nun die photographische Aufnahme der Planeten. Erst in letzter Zeit ist es einigen Astronomen gelungen, auf diesem Gebiete photographischer Betätigung einigermassen brauchbare Resultate zu erzielen. Hier gilt genau dasselbe wie bei Mondaufnahmen, dass nämlich in vielen Fällen das Auge seine Überlegenheit der photographischen Platte gegenüber behauptet. Man hat bei den Versuchen, die Planeten zu photographieren, Fernrohre benutzt, deren Objektive für die optischen Strahlen korrigiert waren. So hat Rheden photographische Aufnahmen des Jupiters am grossen 27zölligen Refraktor der Wiener Sternwarte gemacht. Zeigen auch seine Bilder eine ganze Menge schöner Details (die Bilder haben einen Durchmesser von nur wenigen Millimetern), so sieht doch ein geübter Beobachter an einem vierzölligen Fernrohr ebensoviel. Solange wir aber nicht Platten besitzen, die hei grosser Empfindlichkeit ein sehr feines Korn aufweisen, wird es nicht misslich sein, die Schwierigkeiten der astronomischen Photographie zu überwinden. Nun behauptet Herr Thielemann in seinem Artikel, dass es möglich sei, "die Evolutionen und Transformationen des Mars kinematograpliisch festhalten zu können". Den Beweis dafür bleibt der Verfasser allerdings schuldig. Und doch wäre es für ihn gewiss lehrreich, wenn er einmal versuchen würde, kinematographische Aufnahmen des Mars herzustellen. Denn bisher ist das noch keinem unserer bekanntesten Astronomen die auch auf photographischem Gebiete grosse Erfahrungen haben, gelungen. Der Mars müsste Herrn Thielemann gerade einmal den Gefallen tun, auf einige Millionen Kilometer näher zu kommen, um sich von ihm dann kinematographieren zu lassen.

Weiter schreibt Herr Thielemann, dass wir eine ganze Reihe guter Mondaufnahmen besitzen und durch geeignete Beleuchtung hätte man bereits Schattenlängen von über 30facher Höhe der Objekte erzielt. Aus diesem Satz geht hervor, dass der Verfasser jedenfalls die kinematographische Aufnahme von plastischen Mondmodellen meint, die man dann entsprechend beleuchtet. Auf diese Art ist es allerdings nicht schwer, astro-kinematographische Aufnahmen zu machen, durch die aber der ernsthaften wissenschaftlichen astronomischen Forschung nicht gedient ist.

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Hierzu schreibt der Verfasser des kritisierten Artikels:

Walter Thielemann.

Unsere Kenntnis über die eigenartige Natur des Mondes verdanken wir Lichtstrahlen, die unser Auge nicht, wohl aber die photographische Platte wahrnimmt, den ultravioletten Strahlen im Sonnenlicht.

Die meisten unserer farblosen Gläser lassen zwar alle von uns gesehenen Lichtstrahlen, nicht aber die ultravioletten durch. Es gibt jedoch ausser dem reinen Quarz besonders beschaffene Gläser, die den ultravioletten Strahlen den Durchgang gestatten. Hält man z. B. das nach dem englischen Physiker Wood benannte Glasfilter, das aus einer solchen Glassorte besteht, gegen den Vollmond, so sieht man nichts von ihm. Bringt man aber eine lichtempfindliche Platte hinter dieses Filter, erhält man eine Photographie des Mondes, da jene von uns nicht gesehenen ultravioletten Strahlen das Filter passieren und auf der Platte ein entsprechendes Bild zeichnen. Dieses Bild entspricht freilich nicht einer auf gewöhnliche Art hergestellten Mondphotographie, denn es gibt nur die Wirkung einer Sorte dieser Lichtstrahlen wieder und schafft auf der photographischen Platte Lichtwerte, die der Verschiedenheit der vom Monde ausgehenden ultravioletten Strahlen entsprechen.

Um diese Verschiedenheit der Strahlen zu veranschaulichen, hat Geheimrat Prof. Dr. A. Miethe versucht, ein auf gewöhnlichem Wege hergestelltes Bild des Mondes hinter einer roten Glasplatte auf die Leinwand mit Hilfe eines Projektionsapparates zu werfen, und dann auf genau dieselbe Stelle eine Aufnahme auf dem Woodschen Filter hinter einer grünen Platte. Hätten nun beide Photographien gleiche Lichtwerte, so müsste auf der Leinwand ein durch die Farbenplatten Rot und Grün gelbgefärbtes Bild erscheinen. Dies ist aber nicht der Fall, vielmehr zeigt es sich, dass z. B. die Meere auf dem Monde wenig, die Kraterränder dagegen viel unsichtbare Lichtstrahlen entsenden. Die auf diese Weise erlangten Resultate gaben zu manchen anderen Versuchen Anregung, die uns weitere Einblicke in die Verschiedenheiten der Gesteine, aus denen der Mond besteht, gewähren. In ähnlicher Weise ist auch die Kinematographie des Mondes gelungen, wenn auch dabei nicht verschwiegen werden kann, dass wegen der geringen Lichtwirkung und der durch die rasche Bewegung bedingten kurzen Expositionszeit nur eine geringe Vergrösserung der Bilder möglich ist, und dass aus diesem Grunde auch die Bilder weit weniger Einzelheiten zeigen, als eine direkte Beobachtung. Immerhin vermögen doch die kinematographischen Aufnahmen des Mondes wertvolle Aufschlüsse für die astronomische Wissenschaft zu geben

Was nun die kinematographische Aufnahme der Planeten anbetrifft, so ist auch diese mit gewissen Schwierigkeiten verknüpft, jedoch gab uns bereits die Treue der photographischen Platte, Kataloge, Karten und Positionen vom Sternenhimmel. Wir lernten durch sie die wunderbare Welt der Spiralnebel kennen, dann die rätselhafte Struktur und die ebenso merkwürdigen Bewegungsvorgänge in den Kometenschweifen, ganz zu schweigen von den fernsten Sonnen, unserer Sterneninsel und den schwächsten Gliedern unserer [Planetenschar] Planeten- und Satellitenschar. Dass es auch gelingen wird, die Evolutionen und Transformationen des Mars kinematographisch festzuhalten, kann nach den bisherigen Versuchen, trotz der rapiden Schnelligkeit und kolossalen Entfernung desselben, nicht zweifelhaft erscheinen.

Man muss hierbei in Betracht ziehen, dass Farbenfilter in Verbindung mit orthochromatischen Platten, eine ungeahnte Steigerung der Genauigkeit bei der Beobachtung und bei der Aufnahme gestatten. Warum soll es nun unserer unermüdlich vorwärtstrebenden Wissenschaft und Technik nicht gelingen, die letzten Hindernisse aus dem Wege zu räumen?

Hierzu bedarf es allerdings noch angestrengter Arbeit. Geheimrat Prof. Dr. M. Wolf (Heidelberg) betonte, dass in erster Linie eine hundertfach gesteigerte Empfindlichkeit der Trockenplatten, trotzdem eine wesentliche Verkleinerung des Silberkornes zu fordern ist. Dann ist eine viel grössere Reinlichkeit der Schichten und bessere Gelatinequalität, nicht zuletzt auch Sensibilität für jede vorgeschriebene Stelle des Spektrums, wie überhaupt für das ganze Spektrum, zu erstreben. Weiterhin ist die Schaffung von Platten, die die Intensitätsverhältnisse richtig geben, nötig und auch von Platten, die nicht allein jeden Kontrast zum Verschwinden bringen, sondern auch von solchen, die die kleinsten Lichtunterschiede in grösstem Kontraste wiedergeben.

Das sind die nächstliegenden Forderungen der Astronomie, an die photographische Technik, und es ist zu erwarten, wie ich auch in meinem Artikel in Nr. 18 dieses Blattes bereits ausführte, dass auf dem Gebiete der astronomischen Kinematographie auf Grund der erzielten Resultate in der Photographie die bestehenden Schwierigkeiten beseitigt werden. Die Erfolge der letzten Jahre lassen keinen Zweifel darüber, dass wir in dieser Hinsicht alles von der Zukunft erhoffen dürfen.

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