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#3052

Photographische Industrie, 1911, S. 319

Aue (mit Anm. der Redaktion)
Zur Mikro-Kinematographie

Am 25. Februar hielt in der Aula der Kgl. Techn. Hochschule, Dresden, Dr. J. Comandon (Paris) auf Einladung der "Gesellschaft für Natur- und Heilkunde" einen Vortrag über die Mikrobenwelt mit kinematographischen Vorführungen, den er schon am 21. Februar im Berliner Kaiserin Friedrich-Haus zu Gehör gebracht hatte.

Wir bekamen einen überraschenden Einblick in die reichhaltige Welt der Mikroben, wie er anschaulicher und packender nicht gedacht werden konnte. Zunächst sahen wir auf der Leinwand Amöben und Wimperinfusorien, in ungeheurer Vergrösserung mit ihren Organen arbeiten, durften schauen, wie sie sich teils durch Bildung von sogenannten Scheinfüssen fortbewegten, also eine Art kriechender Bewegung ausführten, teils eine Bewegung hatten, die durch das rasche [Hinschlagen] Hin- und Herschlagen von Wimpern, d. s. Fortsätze des Protoplasmas durch die äussere Haut hindurch, bewirkt wird und die sich vergleichen lässt mit der Bewegung der Ruder eines Bootes. Des ferneren bekamen wir einen Einblick in den Reichtum an verschiedenartigsten unschädlicher Mikroben, wie sie sich in dem Darme einer Maus finden und wie sie in mehr oder minder grosser Anzahl auch im menschlichen Darme vorhanden sind. Weiter wurden giftige Infusorien gezeigt (Cholerabazillen), dann Aufnahmen über Blutinfektion. Zunächst sah man gesundes normales Blut, und zwar das eines Süsswasserschaltieres und das eines Frosches, dann infiziertes Blut. Deutlich konnte man die Blutzirkulation wahrnehmen, auch die roten Blutkörperchen, denen das Amt zukommt, die Gewebe mit Sauerstoff zu versorgen, und die weissen Blutkörperchen oder die Leukocyten, die eine Verteidigungsrolle spielen. Die weissen Blutkörperchen bekämpfen die mikroskopischen Feinde, indem sie einmal sogenannte Antikörper einführen, welche die Feinde vernichten oder sie mit ihren Scheinfüssen umhüllen, um sie zu absorbieren. Wir sahen infiziertes Blut, dem verschiedene Spirochaeten und Trypanosomen hinzugefügt wurden, und beobachteten, wie die gefährlichen Parasiten ihr Zerstörungswerk vollbringen.

Ausserordentlich interessant war die verheerende Wirkung der Spirochaeta pallida, der Erregers der Syphilis, anzuschaun. Sie ist kein Blutschmarotzer, sondern wimmelt in den Zwischenräumen der Zellen. Mit grossen sinusförmigen Bewegungen vermag sie sich in die Zellen förmlich hineinzuwinden und so den Organismus zu zerstören. Im Serum dagegen rührt sie sich nicht vom Flecke, sondern führt höchstens Drehbewegungen am Orte aus.

Zum Schlusse führte uns Dr. Comandon eine recht merkwürdige Erscheinung in der Mikrobenwelt vor, die man als "Mikrobendressur" bezeichnen könnte. Die in den Flüssigkeiten schwebenden Mikroben besitzen nämlich elektrische Ladungen, und es ist daher möglich, den Einfluss eines elektrischen Stromes auf sie zu zeigen. Unter der Einwirkung des elektrischen Stromes sah man die Mikroben in einer ganz bestimmten Richtung sich fortbewegen. Wurde die Stromrichtung gewechselt, so wechselte gleichzeitig auch die Bewegungsrichtung der Parasiten.

Der Vortrag brachte eine so grosse Fülle des Belehrenden und Anregenden, dass Herr Dr. Comandon des Dankes aller Zuhörer sicher sein konnte, was auch der starke Beifall ihm gezeigt haben mag.

Nicht unerwähnt mag bleiben, dass die Bilder durch den bekannten Ernemann'schen Stahl - Projektor in ausgezeichneter Schärfe und Klarheit projiziert wurden (1).

(1) Einige Angaben über die von Comandon verwendete Methode dürften von Interesse sein. Er fand, dass es bei Beleuchtung des Mikroskops mit durchfallendem Licht besonders wegen der Beugungserscheinungen nicht möglich ist, Momentaufnahmen von sehr feinen Körperchen und Bakterien zu machen. Er griff daher zur Dunkelfeldbeleuchtung und mit Hilfe der Firma Pathé Frères, die ihm ihre Mittel zur Verfügung stellte, gelangte er zu den erstrebten Erfolgen. Für den optischen Teil benutzte er die von der Firma C. Zeiss in Jena gelieferten Apparate, besonders bediente er sich des von Siedentopf konstruierten Paraboloidkondensors. Nach langen Versuchen, die viele Monate dauerten, war sein Apparat fertig. Er ist zuerst von Professor Dastre in der Sitzung der Akademie der Wissenschaften vom 26. Oktober 1909 demonstriert worden. D. Red.

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