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#28

Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaft und Künste, 1822

Weiske, H. A.
Kammer, dunkle

Camera obscura nennt man eine optische Vorrichtung, welche im wesentlichen aus einem dunkeln Raume besteht, innerhalb dessen auf einer der Wände ein Bild von ausserhalb des Kastens befindlichen Objecten dadurch entworfen wird, dass durch eine Öffnung in der der Bildwand gegenüberliegenden Wand Strahlen von diesen Objecten in den dunkeln Raum dringen.

Die Einrichtung einer solchen Dunkelkammer kann erstens verschiedener Art sein in Bezug auf die Grösse des dunkeln Raumes und dann in Bezug auf die Beschaffenheit der Öffnung, durch welche das Licht eindringt. Ist die Grösse des dunkeln Raumes der Art, dass der Beobachter selbst mit innerhalb desselben Platz hat, so braucht er nur einfach das auf der betreffenden Wand erzeugte Bild zu betrachten. Besteht der dunkle Raum aber nur aus einem grösseren oder kleineren Kasten, der dem Beobachter nicht den Aufenthalt im Innern gestattet, so muss eine Vorkehrung getroffen sein, welche die Beobachtung des Bildes von aussen gestattet. Dies geschieht entweder so, dass man an geeigneter Stelle noch eine Öffnung anbringt, welche, ohne dass störendes Licht eindringt, dem Auge die Beobachtung des auf der betreffenden Innenwand entstandenen optischen Bildes gestattet, oder dass man die betreffende Wand selbst aus einem durchscheinenden Material macht, etwa aus geöltem Papier oder besser aus mattgeschliffenem Glase, wodurch man im Stande ist, das auf der inneren Seite dieser durchscheinenden Wand entstandene Bild auch zugleich möglichst deutlich auf der äusseren Seite wahrnehmen zu können. Dann muss freilich, damit man das Bild recht deutlich sehe, der hintere Theil der Camera obscura und der Kopf des Beobachtern durch ein darübergehängtes dunkles Tuch vor störendem Lichte geschützt sein.

Was die Beschaffenheit der Öffnung betrifft, durch welche das Licht von den äusseren Objecten in die Camera obscura eindringt, um auf die Bildwand zu fallen und dort das Bild zu erzeugen, so genügt es, dass in einer dünnen Blechtafel oder einem schwarzen Carton eine nadelstichfeine Durchbohrung angebracht ist. Dann wird von jedem Punkte des äusseren, lichtaussendenden Objects nur ein Lichtstrahl oder wenigstens, genauer ausgedrückt, nur ein äusserst dünnes Lichtbündel durch diese Öffnung eindringen und geradlinig sich fortpflanzend auf die gegenüberstehende Innenwand der Camera obscura fallen, dort ein optisches Bild des Punktes erzeugend, von welchem das dünne Lichtbündel ausging. Die Gesammtheit der Bilder aller Punkte gibt natürlich das Gesammtbild des Gegenstandes und zwar ist die Lage des Bildes, gegen die des Gegenstandes betrachtet, eine von rechts nach links und von unten nach oben verkehrte, weil vermöge der geradlinigen Fortpflanzung des Lichtes einer von den oberen Punkten des Objects sein Licht durch die Öffnung auf die Bildwand nach unten sendet und umgekehrt, einer von den rechtsliegenden Punkten nach links und umgekehrt. Das Bild des Objects wird um so schärfer, je feiner die Öffnung ist; denn bei einem irgend merklichen Durchmesser der kreisrunden Öffnung dringt in die Camera von jedem Objectpunkte nicht bloss ein Strahl, sondern ein Strahlenkegel ein und das Bild des Punktes ist nicht wieder ein Punkt, sondern ein Kreis, ein sogenannter Zerstreuungskreis; dieser Zerstreuungskreis wird aber um so grösser, je grösser erstens der Durchmesser der lichteinlassenden Öffnung, und zweitens je grösser die Entfernung der Bildwand von dieser Öffnung ist. Da aber diese Zerstreuungskreise sich in der mannigfachsten Weise übereinanderlegen, so wird dadurch natürlich das Bild unscharf und verwaschen.

Andererseits wird das Bild durch Verengerung der Öffnung zwar schärfer in der Zeichnung, aber zugleich auch immer lichtschwächer und dunkler. Diesem Übelstande hat man dadurch abgeholfen, dass man die Öffnung mehrere Zentimeter weit macht und dann in dieselbe eine Sammellinse einsetzt, deren Krümmung so gewählt ist, dass die Entfernung des lichtaussendenden Objects von ihr einerseits und die Entfernung der Bildwand andererseits einem Paar conjugirter Brennweiten der Linse entsprechen. Für irgendeine gegebene Linse und ein gegebenes äusseres Object lässt sich der Effect leicht dadurch erzielen, dass man die Bildwand beweglich macht, sodass man sie an die Linse annähern oder von ihr entfernen kann, bis das Bild die grösste Schärfe und Deutlichkeit erlangt hat. Statt die Bildwand beweglich zu machen, kann man auch die Sammellinse in ein Rohr setzen und dieses so lange in der Öffnung heraus-[herausschieben] oder hineinschieben, bis das Bild scharf geworden ist. Die erste Camera obscura dieser Art wurde wol vom Neapolitaner Baptista Porta im 16. Jahrhundert construirt.

Die wichtigste Anwendung der Camera obscura war früher, die in ihr entworfenen Bilder von Gegenständen als Grundlage für das Nachzeichnen derselben zu benutzen. Diese Benutzung ist jetzt weit zurückgetreten hinter ihrer Anwendung in der Photographie, bei welcher man darauf ausgeht, das auf der Bildwand der Camera obscura durch die Sammellinse (hier in der Regel Objectivlinse oder Objectiv genannt) erzeugte optische Bild dadurch für die Dauer festzuhalten, dass man an die Stelle der Bildwand eine Platte setzt, welche mit einer chemisch lichtempfindlichen Schicht überzogen ist. Daguerre, der zuerst im Jahre 1839 ein solches Verfahren publicirte, wendete als lichtempfindliche Schicht eine Joddämpfen ausgesetzt gewesene, also mit Jodsilber überzogene Silberplatte an, Talbot bald nach ihm ein mit Jod- [Jodsilber] und Bromsilber imprägnirtes Blatt Papier, Archer (1851) eine auf Glas ausgebreitete mit Jod- und Bromsilber getränkte Collodiumschicht. Statt des Collodiums wird als Bindemittel auch Albumin benutzt.

Wenn man die Camera obscura nicht blos zum Nachzeichnen, sondern zu photographischen Zwecken benutzen will, so ist es unerlässlich, dass man als Objectivlinsen gute aplanatische sowol als auch achromatische Linsencombinationen anwende.

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