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#2692

Das neue Buch der Erfindungen, 1874, Jg. IV, S.445-472

[Das neue Buch der Erfindungen 1874, Jg.IV, S.445-472 Die ...]

Das neue Buch der Erfindungen 1874, Jg.IV, S.445-472

Die Erfindung der Daguerreotypie und Photographie

Wer erwägt, mit welcher Gleichgiltigkeit man in unserer Zeit die wunderbaren Leistungen der Photographen hinnimmt, gerade als ob sich das Alles von selbst verstände, - der wird unwillkürlich an Lessing's Ausspruch erinnert, dass eben darin der Wunder grösstes liege, dass uns die Wunder so alltäglich werden.

Wenn man vor einem Menschenalter einem sogenannten "aufgeklärten" Manne gesagt hätte, es sei vielleicht möglich, einen Spiegel so einzurichten, dass er das Bild des Hineinblickenden auf immer festhalte, so würde dieser eine solche Behauptung wahrscheinlich für eine Lächerlichkeit erklärt haben; hätte die Unterhaltung aber ein paar Jahrhunderte früher stattgefunden, so hätte man vielleicht ein Kreuz geschlagen und höchstens zugegeben, nur mit Hilfe des bösen Feindes könne so Etwas möglich sein. In der That erzählt die Sage von einem alten Hexenmeister, welcher es verstanden haben soll, ein Gefäss mit Wasser in einem Augenblicke so zum Gefrieren zu bringen, dass ein Bild Desjenigen, der sich gerade darin bespiegelte, im Eise festgebannt war. Die Erzählung beweist allerdings zunächst nur, dass die Menschen von jeher gern das Unglaublichste für möglich hielten; sie deutet uns aber auch an, dass wenigstens eine allgemeine Vorstellung der Lichtbildnerei schon frühe in Köpfen Platz gefunden habe. Diese Ansicht findet ihre Bestätigung durch ein Gedicht des römischen Dichters Statius (61-96 n. Chr.), welches unter dem Titel "das Haar des Carinus" sich in seinen "Wäldern" befindet und auffallende Andeutungen von einer gewissen Bekanntschaft mit der Lichtzeichnung enthält.

Aber die Sprache des Poeten entbehrt jener Zuverlässigkeit und Bestimmtheit, welche die Wissenschaft verlangt. Was schon früh dem Dichter vorschwebte und in der Sage lebte, das wurde sehr spät Eigenthum der Wissenschaft. Erst 1566 erhalten wir die erste Angabe über die Grundlage der Lichtbildnerei, indem Fabricius in seinem Werke "De rebus metallicis" von der Veränderung berichtet, welche das Hornsilber (Chlorsilber) im Lichte erleidet. Diese Beobachtung gewann aber erst Bedeutung, als Scheele 177? die Wirkung der prismatischen Farben auf das Chlorsilber genau beschrieb und die Thatsache feststellte, dass im violetten Strahl die Schwärzung am raschesten erfolge. Im Jahre 1801 beobachtete Ritter, dass auch neben dem Farbenbilde noch ein Streifen deutlich verändert wird, dass also auch unsichtbare Strahlen im Lichte vorhanden sind, welche das Chlorsilber schwärzen. Von diesem Zeitpunkte an datirt eine neue Wissenschaft: die Photochemie, welche, als eine Tochter des Lichtes, an rascher Ausbildung gleichsam mit der Schnelligkeit der Lichtstrahlen Schritt zu halten scheint. Die auf die chemischen Wirkungen des Lichtes bezüglichen Thatsachen häuften sich im Laufe der Zeit ungemein, und die meisten der jetzt wirklich in der Lichtbildnerei angewandten Stoffe waren bald, als lichtempfindliche erkannt und geprüft. Aber die Gelehrten begnügten sich nicht damit, die blosse Lichtempfindlichkeit wachzurufen, sie suchten auch den Unterschied der Einwirkung verschiedenfarbiger Lichtstrahlen zu erforscht. Dr. Seebeck in Jena wies zuerst in "Goethe's Farbenlehre 1810" darauf hin, dass die verschiedenen Strahlen des Spektrums dem Chlorsilber ihre Eigenfarben mittheilen. Die Heliochemie ist also deutschen Ursprungs.

Die reizend schönen und getreuen Abbilder, welche die Camera obscura und das Sonnenmikroskop von natürlichen Gegenständen auf eine Fläche werfen, mögen den Gedanken an die Lichtbildnerei gar manchem Gelehrten und Praktiker nahe gelegt haben. Jeder der einmal diese Lichtwirkung sah, musste sich sagen, wie schön es doch wäre, wenn diese Bilder auf der matten Glastafel oder dem Papier auf immer haften bleiben könnten. Auf welche Weise man dies Ziel erreichen zu können glaubte, zeigt eine interessante Mittheilung, welche Tiphaine de la Roche in seiner 1760 zu Cherbourg gedruckten "Giphantie" macht. Dies wunderliche Buch, welches unter dem Titel "Giphantie oder Erdbeschreibung" in deutscher Übersetzung erschien, erzählt uns, wie der Verfasser während eines Sturmes in den Palast der Elementargeister geführt und von ihrem Beherrscher mit ihren Arbeiten und Geheimnissen bekannt gemacht wird.

"Du weisst", sagte er zu ihm, "dass die reflektirten Lichtstrahlen auf glänzenden Flächen Bilder entstehen lassen, wie dies z. B. auf der Retina des Auges, im Wasser und im Spiegel der Fall ist. Die Elementargeister suchten diese Bilder festzuhalten und haben eine sehr feine und sehr klebrige Materie zusammengesetzt, welche äusserst leicht trocknet und hart wird, mit deren Hülfe sie in einem Augenblicke ein Gemälde anfertigen. Sie überziehen mit diesem Stoffe ein Stück Leinwand, worauf sich die Bilder nicht nur spiegeln, sondern auch haften bleiben, wenn man den Überzug im Dunklen trocknen lässt.

Auf andere Weise, als Tiphaine es träumte, erzielten Wedgewood und Davy 1803 wirkliche photographische Bilder. Sie tränkten Papier und Leder mit einer Silberlösung und machten darauf Profile, d. h. Schattenrisse, die sie jedoch gegen das Tageslicht nicht unempfindlich zu machen wussten, so dass dieselben nur bei Lampenschein besehen werden konnten, wenn nicht endlich das ganze Papier sich bräunen sollte. Erst 1819 erfand

Sir John Herschel das so lang ersehnte Fixirmittel in unterschwefligsaurem Natron. Als die Kunde von Daguerre's Entdeckung, die Welt durchlief, griff man in aller Ungeduld die ersten Versuche wieder auf, und es kamen in den Kunsthandlungen sogenannte Lichtbilder zum Vorschein, die freilich mehr abschreckend als interessant waren. Man hatte nämlich auf ein mit Silberlösung präparirtes Papier Blätter, Moose u. dgl. gelegt und diese, mit einer Glastafel bedeckt, dem Lichte ausgesetzt. So entstanden rohe weisse Abbildungen auf braunem Grunde, welche selbstverständlich bald durch Veröffentlichung von Daguerre's Geheimniss in den Hintergrund gedrängt wurden, weil Jeder einsah, dass es sich hier um eine ganz neue, ebenso interessante als wichtige Erfindung handle, um eine Erfindung, deren ganzer Ruhm den Franzosen zufällt, wie wir neidlos anerkennen, so sehr auch die Franzosen ihrerseits geneigt sind, von anderen Nationen gemachte Erfindungen zu übersehen oder zu verkleinern. Die Idee war allerdings schon da, aber der Haupttheil der ganzen Erfindung ist in diesem Falle die Ausführung. .

Die Entstehungsgeschichte der Lichtbildnerei ist eigenthümlich und interessant. Zwei Männer, Niépce [Niepce] (geb. am 7. März 1765 in Chalons sur Saône, + am 5. Juli 1833) und Daguerre (geb. zu Paris am 18. November 1787, + am 10. Juli 1851), beginnen, ohne von einander zu wissen, gleichartige Bestrebungen, und arbeiten mehrere Jahre lang abgesondert; jener hat bereits nennenswerthe Resultate erreicht, sich aber in sehr umständliche und unsichere Verfahren verwickelt, dieser hat noch gar keine besonderen Fortschritte gemacht; als aber beide Männer sich 1829 vereinigten, erfasste Daguerre mit Begeisterung Niépce's Ideen, und verarbeitete sie zu einem ganz neuen Verfahren, nach welchem die so lange gesuchte Kunst nun eine verhältnissmässig leichte und einfache Arbeit geworden ist.

Nlépce's Versuche gehen bis zum Jahre 1814 zurück; er arbeitete viel mit Harzen, besonders mit Asphalt, dessen eigenthümliches Verhalten im Lichte er entdeckte und mittels dessen er auf Glas und Metallplatten im Verlaufe von 5 bis 6 Stunden Abbilder von Kupferstichen erhielt, die den Originalen gleichkamen und die er durch Ätzung druckfertig zu machen suchte. Ausser Asphalt benutzte Niépce im Verlaufe seiner Studien auch Silberplatten, die er durch Joddämpfe empfindlich machte.

Diesen Versuch nahm Daguerre auf und kam zum Ziele. Niépce starb 1833, und 1939 war Daguerre mit der Erfindung so weit, dass er damit hervortreten konnte. Die Regierung kaufte sie auf Antrag von Arago und Gay-Lussac an und setzte Daguerre eine Leibrente von 6000 Francs dafür aus, während Niépce's Sohn 4000 Francs Pension erhielt. Arago veröffentlichte dann am 10. August 1837 in der vereinigten Sitzung der Akademie der Wissenschaften und Künste die Erfindung als "ein Geschenk für die ganze Welt". Und die Welt begrüsste dies unerwartete schöne Geschenk mit Erstaunen und freudigem Jubel.

Daguerre's Erfindung beschränkte sich auf die Anfertigung von Bildern auf versilberten Platten, und dieser Zweig der Kunst trägt noch jetzt des Urhebers Namen, während unter Photographie die gesammte Lichtbildnerei auf Glas, Papier, Silberplatten und andern Stoffen verstanden wird. Die neue Kunst zeigte bei ihrem Hervortreten noch zwei wesentliche Mängel, denen aber bald abgeholfen wurde, weil das Interesse der Gelehrten und Praktiker aller Länder auf die Ausbildung der neuen Erfindung gerichtet war. Da Daguerre 20 Minuten zur Aufnahme eines Bildes brauchte, so war an Portraitiren u. dgl. nicht zu denken, bis Claudet 184O in dem Brom ein so kräftiges Unterstützungsmittel für das Jod fand, dass die Empfindlichkeit der Platte nun bis zu einem kaum gehofften Grade gesteigert werden, ja eine Aufnahme in wenigen Sekunden geschehen konnte. Doch fehlte es den Bildern an Haltbarkeit; sie waren in dieser Hinsicht mit dem Staube der Schmetterlingsflügel vergleichbar und verschwanden nach einiger Zeit von selbst, wenn sie nicht unter Glas gelegt wurden. Diesem Fehler half der Chemiker Fizeau ab, indem er die wunderbare Wirkung entdeckte, welche Chlorgold auf das fixirte Bild ausübt. Dasselbe wird dadurch nicht allein befestigt, sondern verliert auch einen grossen Theil seines unangenehmen Spiegelglanzes.

Mehrals [!] sechs Monate (Januar 1839) vor dem Auftreten Daguerre's hatte Fox Talbot der Royal Society in London Mittheilung von seiner "photographischen" Zeichnung auf Papier gemacht, und 1840 veröffentlichte er sein Verfahren in verbesserter Form unter dem Namen "Kalotypie" (Schöndruck). Obwol die Kalotypie an Schönheit der Bilder mit der Daguerreotypie nicht zu wetteifern vermochte, übertraf sie dieselbe darin, dass sie Bilder lieferte, welche beliebig vervielfältigt werden konnten. Aus diesem Grunde kann man die "Kalotypie" die Mutter der heutigen Photographie nennen. Denn da das Papier nicht fein genug ist, um die zarten Einzelheiten der Bilder wiederzugeben, griff man bald zu feineren Unterlagen und schuf sich gewissermassen ein Papier ohne Körper indem man (Niépce von St.Victor 1848) Glasplatten mit Eiweiss oder Collodium (Scott Archer 1851) überzog. Endlich, nachdem man den Lichtstrahl zum kunstvollsten Zeichenmeister gemacht, musste er auch noch Lithograph werden und seine Bilder auf Steinplatten in einer Weise zeichnen, dass man davon wie von ganz gewöhnlichen Lithographien Abdrücke nehmen kann.

Diese schönen Erfolge wären aber nicht möglich gewesen, wenn nicht die Optiker hülfreiche Hand geboten hätten, und hierin haben sich Franzosen und Deutsche grosse Verdienste erworben. Zuerst, war es Charles Chevalier in Paris, der durch Vereinigung von zwei achromatischen Linsen nicht allein die Aufnahmezeit verkürzte, sondern den Bildern auch grössere Feinheit verlieh. Schon vor der Anwendung der beschleunigenden Substanzen nahm er Portraits in wenigen Minuten auf. Noch grössere Vervollkommnungen erfuhren die photographischen Objektive durch einen Deutschen: Professor Petzval in Wien unterzog sich langen und mühsamen Studien und Berechnungen; seine Bemühungen wurden mit glücklichem Erfolge gekrönt, und auf Grund der gewonnenen Resultate entstanden die so berühmt gewordenen Voigtländer'schen Objektive. In Betreff der Einrichtung der Camera obscura und der Anfertigung von Linsen ohne sphärische und chromatische Abweichung müssen wir unsere Leser auf Band II verweisen.

Der photographische Apparat

ist eben nichts weiter als eine verbesserte Camera obscura. Fig. 286 stellt eine photographische Camera in ihrer einfachsten Form dar.

In einem Kasten B lässt sich ein zweiter Kasten A hin und her schieben. Um diesen letzten in bestimmter Lage festhalten zu können, ist das mit B verbundene Bret [Brett] D mit einem Spalt versehen und an dem Kasten ein Messingstreifen befestigt,- von dem aus in den Spalt eine Klemmschraube hinabreicht, welche beim [Ausziehen] Aus- und Einziehen des Kastens A zum Feststellen derselben dient. Das Objektiv befindet sich, an der Vorderseite des Kastens B, während an der Hinterseite des Kastens A das matte Glas C angebracht ist, auf dem die Bilder der äusseren Gegenstände beim Öffnen des Objektivdeckels sichtbar werden.

Die photographischen Objektive zerfallen je nach ihrer Verwendung in [Portraitobjektive] Portrait- und Landschaftsobjektive. Letztere haben gewöhnlich nur ein achromatisches Objektivglas, erstere bestehen aus zwei achromatischen Gläsern. Ein solches Doppelobjektiv zeigt Fig. 287; in Fig. 288 sind die Linsen dargestellt.

Wie man auf den ersten Blick sieht, sind in B und A die beiden achromatischen Linsen von Fig. 288 in einer Hülse angebracht, welche sich auf den Ring E schrauben lässt. Dieser Ring wird an der Camera befestigt. In der Messinghülse lässt sich durch die Mikrometerschraube F ein Rohr bewegen, welches die Stellung der Objektive regelt. D ist der Deckel des Objektivs und H eine Blende, die man in G einschiebt, wenn man eine grössere Schärfe erlangen will.

Denken wir uns nun, das Doppelobjektiv sei an der Camera befestigt, und diese, damit sie fester steht und bequemer hoch oder niedriger gestellt werden kann, auf einem Stative angebracht; wir befänden uns aber in einem Glashause, um ein Bild aufzunehmen. Von der Anlage und Einrichtung eines solchen Glashauses giebt uns die Abbildung, Fig. 291, eine Vorstellung, welche ohne weitere Auseinandersetzung verständlich ist. Nachdem die Camera auf die Person gerichtet und der Deckel vom Objektive entfernt worden ist, zeigt sich uns auf dem matten Glase ein Bild der Person, welche dem Objektiv gegenübersteht. Um dies Bild deutlicher beobachten zu können, verdunkeln wir die Umgebung des matten Glases, indem wir ein Tuch über den Kopf werfen. Die grössere oder geringere Schärfe des Bildes auf dem matten Glase muss durch [Ausschieben] Aus- und Einschieben des innern Kastens der Camera obscura und durch Drehen an der Mikrometerschraube erreicht werden.

Wo die Glastafel sich befindet, erhält nach dem Einstellen die Kassette ihren Platz. Sie besteht aus einem Rahmen mit dem verschiebbaren Bretchen [Brettchen] a und dem Thürchen b (Fig. 292). Zwischen beide wird beim Daguerreotypverfahren die empfindliche Silberplatte, beim Collodiumverfahren die Glasplatte gebracht, so zwar, dass die empfindliche Schicht beim Einschieben in die Camera genau dieselbe Stelle einnimmt, wo auf der matten Glastafel das Bild am deutlichsten erschien.

Sehen wir zu, wie die Daguerreotypplatte für eine Aufnahme hergerichtet und empfindlich gemacht wird.

Die Daguerreotypie.

Die Arbeit des Daguerreotypisten beginnt mit dem Putzen und Poliren der versilberten Kupferplatte, was immer grosse Sorgfalt und Mühe erfordert und mittels Tripel, Spiritus und Baumwolle, nachher mit Polirroth und weichem Leder bewirkt wird. Die grösste Sauberkeit ist dabei zu beobachten, und es darf die Platte durchaus nicht mit den Fingern berührt werden. Die letzte Bearbeitung, das sogenannte Fertigputzen, darf nie früher als unmittelbar vor der Aufnahme stattfinden. Nunmehr wird der Silberspiegel für das Licht empfänglich gemacht, d. h. es muss eine Schicht auf ihm erzeugt werden, die sich unter Einfluss des Lichtes rasch verändert. Diese Eigenschaft haben vorzüglich die chemischen Verbindungen des Silbers mit Jod, Brom und Chlor, und alle Lichtbildnerei, arbeite man auf Silberplatten, Glas oder Papier und dgl., muss - vom Gelatineverfahren abgesehen - mit der Erzeugung einer solchen Verbindung oder zweier zusammen auf der Bildfläche beginnen; der Unterschied ist nur der, dass dies bei den Metallplatten auf trockenem, bei den übrigen Verfahren auf nassem Wege geschieht.

Jod und Brom sind, wie das Chlor, chemische Elemente. Das Jod befindet sich besonders im Meerwasser, in Seepflanzen, Seethieren u. s. w., aber niemals im freien Zustande. Es hat im trocknen Zustande etwa das Ansehen von Graphit und einen durchdringenden Geruch, weil es schon bei gewöhnlicher Temperatur verdunstet. Es ist ziemlich giftig, schmeckt scharf und ertheilt der Haut eine bräunlichgelbe Färbung. Letztere lässt sich mit Alkohol beseitigen, worin wie im Aether das Jod sehr löslich ist, während es sich im Wasser nur in geringen Mengen (1 : 7000) auflöst. Gewonnen wird das Jod aus der Asche von Seepflanzen, indem das darin enthaltene Jodnatrium mit Braunstein und Schwefelsäure behandelt und so das Jod frei gemacht wird.

Vor 1811 war das Jod unbekannt. In diesem Jahre wurde es durch Courtois entdeckt, indem er die Mutterlauge aus Meerpflanzenasche, nachdem ihr Gehalt an Kochsalz, Glaubersalz, Soda und schwefelsaurem Kali ausgeschieden, mit Salpetersäure versetzte, wobei er einen veilchenblauen Dampf aus der Flüssigkeit aufsteigen sah. Er fing denselben auf und erhielt schön krystallisirte Blättchen von grauer Farbe, worin Gay-Lussac einen neuen Grundstoff erkannte, der nach den veilchenblauen Dämpfen seinen griechischen Namen erhielt. Als Erkennungszeichen für Jod dient Stärkekleister, welcher vom freien Jod blau gefärbt wird.

Das Brom wurde 1826 von Balard in der Mutterlauge des Meerwassers entdeckt. Wie Courtois bei Zusatz von Schwefelsäure veilchenblaue Dämpfe aufsteigen sah, so bemerkte Balard eine rothe Färbung beim Sättigen der Mutterlauge, mit Chlor. Das Brom findet sich, wie das Jod, wesentlich im Meerwasser als Brommagnesium und Bromnatrium. In besonders grosser Menge soll es im Todten Meere vorkommen. Brom ist das einzige nichtmetallische Element, welches bei gewöhnlicher Temperatur flüssig ist; es sieht rothbraun aus, ist sehr flüchtig, besitzt einen herben und widrigen Geschmack sowie einen unausstehlichen Geruch. Diesem Geruche verdankt es seinen griechischen Namen. Das Brom löst sich weit leichter im Wasser als das Jod, indem 23 Theile Wasser einen Theil Brom auflösen; noch löslicher ist es im Alkohol und Aether. Brom färbt die Haut braungelb und wirkt ätzend. Bei einer Kälte von 7-8 Graden erstarrt es zu einer bleigrauen krystallinischen Masse. Man gewinnt das Brom aus dem Meerwasser, indem man die Mutterlaugen, aus welchen schon alle andern Salze auskrystallisirt sind, mit Braunstein und Schwefel destillirt. Doch ist das Verfahren nicht ganz so einfach und erfordert noch mancherlei Vornahmen, auf die wir nicht weiter eingehen wollen.

Mit Jod und Brom ist das Chlor nahe verwandt, und alle drei Stoffe zeigen in ihren Eigenschaften und Verbindungen ungemeine Ähnlichkeit. Wie das Chlor eine Verbindung mit Wasserstoff eingeht, so auch Jod und Brom: Chlorwasserstoff, Jodwasserstoff und Bromwasserstoff; ebenso entspricht dem Chlorsilber ein [Jodsilber] Jod- und Bromsilber, und Kalium, Natrium, Cadmium, Ammonium, Lithium u. s. w. verbinden sich nicht nur mit Chlor sondern auch mit Jod und Brom.

Die Vereinigungen obiger drei Körper unter sich haben in der Daguerreotypie besonderen Werth als beschleunigende Substanzen. Besonders Chlorbrom, Chlorjod und Bromjod fanden zu diesem Zwecke häufige Verwendung.

Doch es wird Zeit, dass wir von dieser Abschweifung zur Aufnahme zurückkehren.

Die Bereitung empfindlicher Schichten, das Einbringen derselben in die Camera, das Wiederherausnehmen und die Arbeiten, welche zum Entwickeln und Festhalten der Bilder dienen, müssen natürlich bei Ausschluss des Tageslichtes geschehen. Der Künstler arbeitet daher meist in einem dunklen Raume, der durch eine kleine Lampe oder einen Wachsstock spärlich erhellt ist; doch kann er auch ein helles Atelier haben, sobald er sich Fenster von gelbem, grünem oder rothem Glas machen lässt, denn das gelbe, rothe oder grüne Licht hat fast gar keine photographische Wirkung. Das Jodiren der Silberplatte geschieht gewöhnlich in folgender Weise. Die Platte wird zunächst auf ein Kästchen gelegt, in welchem sich trocknes Jod befindet; die Dauer der Einwirkung der Joddämpfe muss nach Sekunden bemessen werden, denn sie ist verschieden, je nachdem man Portraits oder Landschaften u. s. w. machen will. Die Platte, die man von Zeit zu Zeit untersucht, läuft nach einander hellgelb, dunkelgelb, röthlich, kupferig, violet, blau und grün an, und es hängt von Zweck und Methode des Künstlers ab, ob er diese ganze Farbenreihe durchlaufen lassen will oder nicht. Weil die mit blossem Jod behandelte Platte, wie schon bemerkt, eine zu lange Aufnahmezeit erfordern würde, kommt dieselbe, um empfindlicher zu werden, noch auf den Bromkasten. In diesem befindet sich eine Schicht Kalk, in welchen man das flüssige Brom hat einziehen lassen. Zuweilen wird auch noch Chlor damit verbunden. Über den Dämpfen dieser Substanzen durchläuft die Platte eine neue Reihe wechselnder Farben, an denen der Künstler, durch Übung belehrt, erkennen kann, wann die richtige Einwirkung Statt gefunden hat. Auf alle Fälle kommt die Platte noch einmal auf kurze Zeit wieder auf den Jodkasten und ist dann zur Aufnahme bereit. Diese wird gewöhnlich gleich vorgenommen, doch bleibt die Platte, wenn man sie im Dunklen gut aufbewahrt, auch nach mehreren Stunden noch brauchbar. Soll zur Aufnahme geschritten werden, so muss natürlich die richtige Stellung des Apparates zum Gegenstande und alles sonst Erforderliche schon besorgt sein, so dass blos die Platte eingeschoben zu werden braucht. Sie wird in dem dunklen Atelier in die oben beschriebene Kassette gelegt, wo sie auf beiden Seiten von einer schützenden Holzdecke umgeben ist. Sobald die Kassette in den Apparat geschoben ist, wird der Schieber a (Fig. 289) zurückgeschoben, und die Platte bleibt an der Stelle stehen, wo sie den Lichteindruck empfangen soll. Noch ist es aber im Kasten dunkel, denn das Rohr mit dem Objektivglase, der sogenannte Kopf des Apparates, ist noch mit dem Deckel verschlossen. Sobald die Beleuchtung günstig ist, öffnet man den Deckel, und die geheimnissvolle Arbeit im Kasten fängt sofort an. Die den jedesmaligen Umständen angemessene Sekundenzahl zu treffen gelingt nur nach langer Erfahrung und Übung und ist eine der Hauptschwierigkeiten der Kunst; es kann des Guten bald zu viel, bald zu wenig geschehen. Nach gehöriger Belichtung wird das Objektiv mit seinem Deckel verschlossen, der Schieber heruntergelassen und die Kassette in das Dunkelzimmer zurückgebracht. Hier mit dem Wachsstock beleuchtet, wird die Platte noch ziemlich dasselbe Aussehen zeigen wie vorher. Von einem Bilde ist gar nichts oder nur eine sehr leise Andeutung zu sehen. Nun kommt aber das Merkwürdigste, die Sichtbarmachung des Bildes durch Quecksilber. In einem hölzernen Kasten befindet sich auf dem kupfernen Boden ein wenig von diesem Metall. Die Platte wird in der Entfernung von etwa 30 Centimeter, mit der Bildseite nach unten, oben darüber gelegt und der Deckel geschlossen.

Die Platte liegt, damit die Dämpfe sie gut bestreichen, unter einem Winkel von 45 Grad und wird einmal umgelegt. Da das Quecksilber bei gewöhnlicher Temperatur verdunstet, so würde vielleicht in ein paar Tagen das Bild ganz von selbst fertig werden. Man will aber nicht so lange warten und stellt daher unter den Kasten eine brennende Spirituslampe. Die Hitze treibt nun die unsichtbaren Quecksilberdämpfe reichlich in die Höhe. In der Seitenwand des Kastens, nahe bei dem Lager der Platte, befindet sich ein Glasfenster, durch das man hineinleuchten und das Entstehen des Bildes beobachten kann. Da sieht es nun aus, als wenn ein Geist sich das Vergnügen machte, mit einem unsichtbaren Pinsel zu malen; wir sehen das immer stärkere Hervortreten der Züge, gleichsam als ob das Bild aus dem Grunde herauswüchse; aber wer nicht vorher über den Zusammenhang der Sache unterrichtet ist, kann sich unmöglich denken, wie das zugeht. Sobald der durch Erfahrung erkannte Punkt der Vollendung erreicht ist, nimmt man die Platte weg. Sie braucht nun nicht mehr ängstlich vor dem Tageslicht gehütet zu werden, ja man könnte sie lassen wie sie ist, denn das aus Quecksilberpünktchen bestehende Bild würde doch immer sichtbar bleiben, wenn auch der Grund im Lichte noch einige Mal die Farbe wechselte. Um aber die Wirkung des Bildes zu erhöhen, muss der Silberspiegel blossgelegt werden; man schafft also das Jodbromsilber von der Platte weg, indem man dieselbe in ein Bad von unterschwefligsaurem Natron bringt, welches das unbelichtete Brom und Jodsilber hinwegnimmt. Hierauf spült man die Platte mit destillirtem Wasser ab und trocknet sie durch Wärme. Man hat nun auf der Platte ein natürliches, wiewol umgekehrtes Bild, in welchem die hellen Stellen des Originals hell, die dunklen dunkel erscheinen. Wo die hellsten Lichter auf die Platte gefallen sind, wurde, wie man annehmen muss, die Verbindung zwischen Jod und Silber durch das Licht am meisten gelockert, und das Quecksilber fand hier am leichtesten Gelegenheit, sich in unsichtbar kleinen Kügelchen an das Silber anzuhängen; diese Tröpfchen erscheinen durch ihr enges Beieinanderstehen weiss. In den Mitteltinten war das Anhängen des Quecksilbers schon mehr oder weniger behindert, und in den Schatten konnte es wegen der unveränderten Schicht von Jod- und Bromsilber fast gar nicht Statt finden: erstere erscheinen daher mehr grau oder bräunlich, und das blanke Silber in den Schatten erscheint dann gegen das Übrige schwarz, sofern man die Platte nicht gerade so hält, dass sie uns ihre Spiegelung ins Auge wirft. Dieser Spiegelglanz ist allerdings ein Übelstand bei den Daguerreotypbildern und ein Grund mehr, dass die Collodiumphotographie so rasch die alte Methode überflügelte; dagegen zeigen die Bilder auf Silber eine Treue in der Wiedergabe der feinsten Details, die noch durch kein anderes Mittel erreicht worden ist, und überall, wo es weniger auf malerische Wirkung als auf genaue Darstellung ankommt, wird der Kenner ihnen den Vorzug geben.

Durch die Fortschaffung des unbelichteten Jodbromsilbers wurde die Platte für fernere Lichteindrücke unempfindlich, aber haltbar ist das Bild noch nicht. Dies wird erst erreicht durch Fizeau's Vergoldungsmethode. Diese besteht einfach darin, dass man die Platte wagerecht auf ein eisernes Gestell legt, sie mit einer Schicht verdünnter Goldlösung (Chlorgold) bedeckt und die Flüssigkeit durch eine starke Spiritusflamme rasch zum Kochen bringt. Sowie das Blasenwerfen beginnt, sieht man das Bild auch schon einen klarern und wärmern Farbenton annehmen, denn das Chlor des Chlorgoldes wirft sich auf das ihm mehr zusagende Silber, das Gold wird metallisch ausgeschieden und bildet eine äusserst feine, schützende Decke über dem Bilde. Zu lange Dauer dieser Operation würde aber nicht Erhaltung, sondern Zerstörung bringen, darum muss man sie schon nach wenigen Augenblicken unterbrechen, indem man die Platte mit einem Ruck in ein Gefäss mit reinem Wasser wirft. Sie verträgt nach dieser Behandlung das Abwischen und eine nicht allzu unsanfte Behandlung.

Von den vergoldeten Bildern lassen sich auch durch die Galvanoplastik Kopien abnehmen, ohne dass die Originale darunter leiden. Die kupfernen Abbilder stehen natürlich wieder rechts und sehen sehr gut aus. Es ist in der That kaum zu begreifen, wie ein solches, gleichsam mit der Platte verwachsenes Bild ein so vollkommenes Abbild giebt, das doch nur auf verschiedener Höhe und Tiefe der einzelnen Partien beruhen kann. Auch ein unvergoldetes Daguerreotyp giebt einen galvanoplastischen Abdruck, aber das Original auf der Silberplatte geht dabei verloren.

Photographie auf Papier.

Anscheinend ganz verschieden, doch auf demselben theoretischen Grunde ruhend, stellt sich die speziell sogenannte Photographie auf Papier, Collodium u. s. w. dar. Sie erreicht ihren Zweck durchweg auf nassem Wege, d. h. die wirksamen Stoffe begegnen sich hier nicht als Dämpfe, sondern in Auflösungen. Immer ist es aber wieder das Silber, das in seinen Verbindungen mit Jod, Chlor und Brom die Hauptrolle spielt. Indem diese Verbindungen sich im Lichte zersetzen, wird metallisches Silber in feinster Vertheilung frei gemacht, und dieser feine Silbermohr liefert eben den Zeichenstoff, gleichsam die Tusche zu den photographischen Bildern, wie bei den Daguerre'- schen Bildern das Quecksilber diesen Dienst verrichtete. Der Photograph besitzt eine sehr reichhaltige Apotheke von allerhand chemischen Stoffen und erwartet von jedem derselben für bestimmte Fälle einen Dienst, sei es dass die Operation beschleunigt, das Bild gekräftigt oder ihm ein anderer Ton gegeben werde u. s. w.; im Ganzen ist jedoch der Gang der Sache nicht so verwickelt, und eine allgemeine Vorstellung davon zu gewinnen ist eben nicht schwer.

Wenn man einige Tropfen salpetersaurer Silberlösung in einem Gläschen mit etwas Kochsalz versetzt, so wird alsbald ein weisser, käsiger Niederschlag von Chlorsilber entstehen, welcher, sobald wir ihn einige Augenblicke dem Lichte aussetzen, aus Weiss anfänglich in Violet, dann in Grau und Schwarz übergeht. Da jede Farbenveränderung einer Substanz nur das äussere Zeichen einer in der Substanz selbst vorgehenden Veränderung ist, so wird auch hier eine solche stattgefunden haben. In der That, die Chemie sagt uns, dass das Licht Chlor vertrieben und dadurch etwas Silber in metallischen oder nahezu metallischen Zustand versetzt hat. Dass dem so sei, zeigt sich, wenn wir den Niederschlag mit einer Lösung von unterschwefligsaurem Natron übergiessen und etwas umschütteln. Wir sehen dann den grössten Theil desselben allmählich verschwinden und erkennen nun, dass die Lichtwirkung sich wol nur auf die Oberfläche beschränkt haben muss, denn endlich bleiben nur einige schwarze Schüppchen ungelöst übrig, welche eben die vorher vom Licht getroffenen Theilchen sind. Hier haben wir die ganze Reihe der Operationen, welche bei der Darstellung von Papierbildern in Betracht kommen, in ihrer Urform vor Augen gehabt. Sie bestehen 1. in der Erzeugung einer empfindlichen Schicht, 2. in theilweiser Schwärzung derselben, und 3. in der Entfernung des nicht Geschwärzten (Fixirung). Um also ein Bild auf Papier anzufertigen, tauchen wir gutes weisses Schreibpapier erst in eine Kochsalzlösung (1 K.: 10 W.), trocknen dasselbe und lassen es dann auf einer Höllensteinlösung von 30 Gran zur Unze Wasser schwimmen, wie es Fig. 294 zeigt. Jetzt ist die empfindliche Schicht fertig; das getrocknete Papier kann nun in der Camera wie eine Daguerreotypplatte belichtet werden. Beim Herausnehmen aus der Kassette muss das Bild schon deutlich sichtbar sein; durch Eintauchen in eine Lösung von unterschwefligsaurem Natron wird das unbelichtete Chlorsilber entfernt und das Bild ist fixirt.

Weil aber das beschriebene Verfahren äusserst langsam ist, muss man sich die mittlere dieser drei Stationen, die Bildererzeugung, oft in zwei Hälften zerlegen; auf der ersten wirkt dann das Licht, auf der zweiten irgend eine andere passende Substanz, die gleichsam als Vorspann zu Hülfe genommen wird. Nehmen wir wieder zwei Probirgläschen mit einigen Tropfen Silberlösung und giessen diesmal in beide an einem nicht hellen Orte etwas Jodkaliumlösung; das Produkt wird ein gelber Niederschlag von Jodsilber sein. Lassen wir das eine Gläschen an seiner Stelle und tragen das andere einige Sekunden an das Tageslicht und darauf wieder zurück, so wird bei Vergleichung beider sich kein Unterschied bemerken lassen; dieser tritt indess sofort hervor, wenn wir in jedes der Gläschen etwas Gallussäure tröpfeln; der Inhalt des ersten Gläschens bleibt unverändert, während der Inhalt des zweiten, der das Licht gesehen hat, sich sofort schwärzt. Hier sehen wir also, dass das Licht eine Veränderung nur eingeleitet, die Gallussäure aber sie weitergeführt hat; durch einige Tropfen des unterschwefligsauren Natrons können wir, sie zum Stillstand bringen. Solcher Stoffe, die wie die Gallussäure wirken, giebt es eine grosse Menge; man nennt sie reduzirende, d. h. zurückführende, und ihre Wirkung beruht darauf, dass sie sämmtlich nach Sauerstoff begierig sind und diesen sich aneignen, wo sie ihn finden. Wird aber einem Metallsalze Sauerstoff entzogen, so wird es meist auf Oxyd, die edlen Metalle selbst auf den Zustand eines zarten metallischen Pulvers zurückgeführt, das sich nun nicht weiter verändert und jedesmal mit dunklerer Farbe auftritt als die Salze desselben. Die beschleunigende Wirkung, welche die Gallussäure übt, nennt man das Hervorrufen oder Entwickeln. Wie das Quecksilber auf der Silberplatte das unsichtbare Bild hervorhebt, so bringt die Gallussäure auf dem Papier selbst dann ein Bild zum Vorschein, wenn das empfindliche Papier nur so kurze Zeit belichtet wurde, dass beim Herausnehmen aus der Camera kaum eine Bildspur angedeutet ist.

Da alle lichtempfindlichen Substanzen sich im Lichte schwärzen oder bräunen und man keinen für die Photographie tauglichen Stoff kennt, der ursprünglich dunkel wäre und im Lichte hellfarbig würde, so kann man auch nicht erwarten, sogleich ein richtiges Bild aus dem Apparate hervorgehen zu sehen. Vielmehr muss das Papier die hellsten Bildpartien, da in ihnen das Licht am stärksten gewirkt, am dunkelsten zeigen, während die stärksten Schatten ganz ungefärbt bleiben: es ist ein negatives Bild. Ein solches kann aber, wenn es fertig und durch Fixation unveränderlich geworden ist, zur Erzeugung beliebig vieler Abbilder benutzt werden, in denen Licht und Schatten sowie die Stellung der abgebildeten Gegenstände ganz der Natur entsprechend sind. Dieses sind die positiven oder eigentlichen Bilder. Man braucht zu ihrer Herstellung keine Camera obscura weiter, sondern nur einen Kopirrahmen. Will man demnach von einem negativen Bilde positive Kopien nehmen, so muss man im Dunklen ein empfindliches Blatt in den Kopirrahmen und das negative Bild mit der Bildseite darauf legen, die Blätter mit einer Glastafel beschweren und den Rahmen dem Lichte aussetzen. Das Licht durchdringt das obere Blatt an den freien Stellen am leichtesten, an den dunkelsten gar nicht und in den Mitteltönen je nach Verhältnis, und es entsteht so auf dem untern Blatte das gewünschte positive Abbild, das man nur zu fixiren braucht. Da das negative Original durch das Kopiren gar nicht leidet, so kann man begreiflicher Weise hunderte von Kopien erzeugen, gute und schlechte, denn ganz gleichmässig fallen sie keineswegs aus. Um die Lichtwirkung auf dem unten liegenden Blatte zu verfolgen, dient das einfache Mittel, dass man demselben eine etwas grössere Breite giebt als dem negativen Blatte. Auf dem vorstehenden Rande kann man dann die Übergänge in Grau, Lila, Tintenblau, Schwarz, Braun u. s. w. bequem beobachten.

Collodiumverfahren.

Wir nahmen einstweilen an, das negative Bild, gewissermassen die Druckform für die positiven, sei ein papiernes. Aber selbst wenn das Papier durch Tränken mit Wachs u. dgl. durchsichtig gemacht wäre, würde es als ein zu roh gefügter Körper doch immer dem Durchgang des Lichtes noch viel Widerstand entgegensetzen; überdies würden alle Unreinheiten und Ungleichheiten der Papiermasse sich auch auf der Kopie bemerklich machen; kurz, solche Kopien könnten nicht anders als mangelhaft ausfallen. Man hat daher frühzeitig nach einem passenden Träger für das negative Bild gesucht. Reines Glas wäre hinsichtlich der Durchsichtigkeit erwünscht, aber es müsste zugleich die Fähigkeit besitzen, die chemischen Flüssigkeiten einzusaugen und die Zersetzungsprodukte derselben festzuhalten. Da letztere Eigenschaft dem Glase abgeht, gab man demselben als Ersatz einen feinen Überzug, zuerst aus Eiweiss und in der Folge aus Collodium. Niépce von St.Victor empfahl 1848 Eiweiss als Überzug von Glasplatten, während Scott Archer 1851 in "Chemical News" ein vollständiges Collodiumverfahren veröffentlichte. Das photographische Collodium besteht aus einer Lösung von Schiessbaumwolle (s. d. Art.) [nicht übernommen] in Aether und Alkohol und ist eine helle, schleimige Flüssigkeit, die in dünnen Schichten sehr rasch trocknet und ein durchsichtiges Häutchen hinterlässt. Das Collodiumverfahren ist die Grundlage der ganzen neuern Photographie; es lassen sich mittels derselben Bilder von ausserordentlicher Schärfe und Zartheit erzielen. Auch Stärkekleister und Heller Leim eignen sich gut zur Erzeugung durchsichtiger Überzüge; aber da sie, wie auch das Eiweiss, schwer eintrocknen, letzteres überdies auch eine ziemlich lange Aufnahmezeit bedingt, so ist das rasch wirkende Collodium fast die einzige jetzt in Anwendung kommende Substanz geworden. Mit den Mitteln vermehrten sich natürlich zugleich die Methoden, Anweisungen und Rezepte, die bereits einen eigenen Literaturzweig, fast möchten wir sagen, Literaturwald bilden, in welchen einzudringen wir unsern Lesern nicht zumuthen dürfen.

Indessen sind wir dem Künstler noch nicht in seine dunkle Kammer gefolgt, und hier müssen wir denn doch auf einige Minuten eintreten, um wenigstens den nothwendigen Zusammenhang in unsere Auffassung zu bringen. Unter vielen anderen Utensilien, die uns im Atelier ins Auge fallen, bemerken wir auch mehrere Wannen oder Schalen aus Porzellan, Glas oder Guttapercha; sie dienen zur Aufnahme verschiedener Glasplatten, in welche die Blätter oder Flüssigkeiten eingelegt werden müssen. Solche Flüssigkeiten nennt der Photograph Bäder. Davon spielen eine Hauptrolle: das Silberbad, das Natronbad und das Goldbad.

Nehmen wir zunächst an, der Photograph arbeite auf Glas mit Eiweiss. Da Sauberkeit eine Hauptsache bei allen seinen Operationen ist, so können wir voraussetzen, dass unser Künstler mit aller Sorgfalt seine Glasplatten geputzt hat. Um dies zu beweisen, lässt er uns eine derselben anhauchen, und siehe, der Athem legt sich überall gleichmässig an und verschwindet eben so gleichmässig, woraus zur Genüge hervorgeht, dass die ganze Platte ebenmässig rein ist. Wer nie versucht hat, eine Platte obigen Anforderungen entsprechend herzustellen, sollte sich doch einmal überzeugen, wie schwierig dies ist. Wie aber erreicht der Photograph sein Ziel?

Er bereitet sich eine Art Rahm aus Tripolipulver, Weingeist und einigen Tropfen Ammoniak, taucht etwas Watte ein und fährt damit einige Minuten auf der Platte hin und her, hierauf spült er sie mit Wasser ab und trocknet sie mit einem reinen Tuche, um sie dann Anfangs mit Spiritus abzureiben und darauf so lange mit Seidenpapier zu Poliren, bis der Hauch gleichmässig verschwindet, ohne eine Spur von Wischstreifen zu zeigen. Jetzt kann das Eiweiss aufgetragen werden. Es wird bereitet, indem man das Eiweiss von frischen Hühnereiern, mit etwas Wasser verdünnt, zu Schnee schlägt, diesen 12 Stunden absetzen lässt und dann das Klare durch grobe Leinwand abfiltrirt und mit Jodkalium versetzt. Mit diesem Gemisch werden die Glasplatten überzogen und nach dem Trocknen in eine Auflösung von Höllenstein gebracht. Nach dem Herausnehmen aus diesem Bade spült man sie ab und trocknet sie. Sie können gleich oder auch lange nachher belichtet werden, doch bedürfen sie einer sehr langen Exposition. Nach der Belichtung ruft man das Bild mit Gallussäure hervor und fixirt es in unterschwefligsaurem Natron. Ein so erhaltenes negatives Bild ist nun kopirfähig.

Obgleich das Verfahren auf Eiweiss Bilder von wunderbarer Zartheit und Schärfe liefert, wird es doch jetzt seiner Umständlichkeit und Langsamkeit wegen nur noch selten, und zwar für Landschaften, geübt. Allgemein verbreitet ist dagegen das Collodiumverfahren.

Um photographisches Kollodium herzustellen, löst man eine eigens für photographische Zwecke hergerichtete Schiessbaumwolle in einem Gemisch von Aether und Alkohol auf. Man unterscheidet zwei Arten von Kollodiumwolle, eine für Aethercollodium und eine für Alkoholcollodium. Beim Aethercollodium ist das Verhältniss des Aethers zum Alkohol wie 3:2, beim Alkoholcollodium wie 1:4. Wegen der langsamen Verdunstung, die auch, bei grossen Glasplatten ein bequemes Operiren erlaubt, und wegen vieler anderer Vorzüge hat das Alkoholcollodium jetzt fast das Aethercollodium verdrängt. Wir wollen uns deshalb ein Alkoholcollodium bereiten, indem wir in einem graduirten Cylinder zwei Unzen Alkohol und 1/2 Unze Aether abmessen. In dieses Gemisch bringen wir 16 Gran Kollodiumwolle. Nach tüchtigem Umschütteln löst sich diese und wir erhalten eine schleimige Flüssigkeit, welche man als einfaches Kollodium bezeichnet. Ans diesem bereiten wir uns ein jodbromirtes Collodium, indem wir 5 Gran Jodcadmium und 4 Gran Bromcadmium zusetzen. Nach Umschütteln und Klären ist unser Collodium verwendbar.

Wir nehmen jetzt eine reine Glasplatte, auf welche wir eine ausreichende Menge Kollodium giessen, verbreiten dasselbe darüber, wie es Fig. 295 zeigt, und lassen den Überschuss ablaufen (Fig. 296). Sobald die Schicht sich gesetzt und eine butterähnliche Konsistenz erreicht hat, tauchen wir unsere Platte rasch, ohne innezuhalten, in das Silberbad. In dem Silberbad befindet sich eine Auflösung von salpetersaurem Silberoxyd (Silbernitrat, sog. Höllenstein) im Verhältniss von 40 Gran Silbernitrat zur Unze Wasser. Diese Lösung wurde mit Jodsilber gesättigt, indem man eine auf beiden Seiten mit Jodbromcollodium überzogene Glasplatte über Nacht darin stehen liess. Die in das Silberbad getauchte Platte wird darin auf und ab bewegt, bis die fettartigen Streifen verschwunden sind, welche sich Anfangs bilden, weil der Aether die wässerige Lösung abstösst. Die Collodiumschicht zeigt beim Herausnehmen ein käseartiges Aussehen, welches von dem entstandenen Jodbromsilber herrührt. Im Silberbade findet nämlich ein Austausch der Stoffe Statt: Jod und Brom gehen an das Silber und bilden Jod- und Bromsilber, welches in der Schicht niedergeschlagen wird; dagegen verbindet sich die aus dem Silbersalz freiwerdende Salpetersäure mit dem ebenfalls freiwerdenden Cadmium und Ammonium zu salpetersaurem Cadmium und Ammoniumoxyd, welches im Silberbade gelöst bleibt.

Unsere Schicht ist nun lichtempfindlich. Wir bringen sie in die Kassette und begeben uns aus dem Dunkelzimmer, worin alle vorhergehenden Operationen stattfanden, in das Glashaus, stellen die Kassette in einen vorher auf einen Gegenstand eingestellten Apparat, belichten in oben angegebener Weise einige Sekunden, schliessen Objektiv und Kassette und bringen die letztere in das Dunkelzimmer zurück. Beim Herausnehmen der Kassette ist noch keine Spur eines Bildes zu sehen; es muss eben erst hervorgerufen werden. Als Hervorrufer dient entweder eine Auflösung von Pyrogallussäure oder von Eisenvitriol. Letzterer wirkt am raschesten und sichersten. Auf eine Unze Wasser nimmt man etwa 16 Gran Eisenvitriol und fügt dieser Lösung etwa 20 Tropfen Essigsäure und 16 Tropfen Alkohol hinzu. Der Alkohol soll das Fliessen über die Platte erleichtern, während die Essigsäure wie ein Dämpfer wirken muss, damit das Bild nicht zu rasch hervortritt und dadurch die feinen Details verwischt werden.

Nach dem Aufgiessen des Hervorrufers tritt das Bild allmählich immer deutlicher heraus, indem Jod- und Bromsilber an den vom Licht getroffenen Stellen reduzirt werden. Sollte der Eisenvitriol mit längerem Verweilen auf der Platte das Bild nicht kräftig genug erzeugen, so wendet man eine Lösung von Pyrogallussäure und etwas Silbernitrat an, um das Bild zu verstärken. Sobald das Bild, sei es durch den blossen Hervorrufer oder unter Anwendung eines Verstärkers, hinlänglich herausgetreten ist, spült man die Platte tüchtig ab und übergiesst sie mit Cyankaliumlösung oder taucht sie in eine Lösung von unterschwefligsaurem Natron in Wasser (1:4). Hierin wird das vom Lichte nicht veränderte Jod- und Bromsilber fortgeschafft, das Bild also vor der weiteren Einwirkung des Lichtes geschützt. Nach dem Trocknen kann man das Bild durch einen Firnissüberzug sichern und zum Kopiren verwenden.

Als Kopirpapier dient entweder in oben angegebener Weise angefertigtes Chlorsilberpapier oder Albuminpapier. Wenn letzteres auf das Silberbad kommt, entsteht eine Verbindung des Eiweisses mit dem Silber, welche lichtempfindlich ist. Um einen Abdruck zu erlangen, deckt man die Collodiumseite der Glasplatte mit einem solchen empfindlich gemachten Papiere und spannt beides in einen Kopirrahmen. Dies ist ein Holzrahmen mit einer starken Spiegelglasplatte (Fig. 298), auf welche man das Negativ so legt, dass die Bildseite, worauf das empfindliche Papier liegt, nach oben gekehrt ist. Damit das Papier mit dem Negativ eng zusammenliege, wird ein umklappbares Bretchen durch Querstäbe mit Schrauben oder Federn darauf gepresst. Dasselbe kann man auch ohne Kopirrahmen, durch Schrauben oder Klammern bewirken und dabei vom Fortgange des Prozesses sich durch vorsichtiges Abheben überzeugen.

Was geschieht nun, wenn der Kopirrahmen mit dem Negativ und dem empfindlichen Papier ins Tageslicht gestellt wird? Dasselbe, was wir oben beim Kopiren nach negativen Papierbildern angegeben haben; - die Lichtstrahlen gehen durch die durchsichtigen Theile des Bildes und bewirken an diesen Stellen eine Schwärzung, während hinter den undurchsichtigen Stellen das Papier weiss bleibt; das negative Bild, welches die wirklichen Verhältnisse gleichsam negirt, wird zu einem Positiven, das die Wirklichkeit darstellt, und beide Bilder verhalten sich bei auffallendem Lichte genau wie die Abbildungen Fig. 301 und Fig. 302.

Das positive Bild kann entweder im Kopirrahmen fertig kopirt werden, oder man kann die begonnene Lichtwirkung durch Hervorrufung im Dunkelzimmer fortsetzen. Letzteres findet gewöhnlich Statt, wenn man rasch eine grosse Menge Bilder anfertigen will, pflegt aber selten so gute Resultate zu liefern wie das erstere Verfahren. Wenn das Bild im Kopirrahmen scharf und deutlich kopirt ist, was am Farbenwechsel der überstehenden Ränder des empfindlichen Papiers leicht abzunehmen ist, muss es ein Goldbad, welches aus einer Auflösung von 1 Theil Chlorgold in 1000 Theilen destillirten Wassers bestehen kann, passiren, um einerseits haltbarer zu werden, andererseits aber einen schönern Ton zu erlangen. Nach dem Schönen im Goldbalde [Goldbade] wird mit einer Lösung von unterschwefligsaurem Natron in Wasser (1 Natron: 3 Wasser) fixirt. Das Bild wird nun aufgeklebt und durch die Satinirmaschine geglättet. Wenn das Negativ untadelig war und die Kopie sorgsam angefertigt wurde, wird das Bild vollendet sein; was im andern Fall an Harmonie, Weichheit und Rundung noch fehlt, muss mit dem Pinsel nachgetragen, d. h. das Bild muss retouchirt werden; aber es gehört dazu ein einsichtsvoller und sich selbst verleugnender Künstler, denn je weniger man den Pinsel merkt, desto höher wird man das Bild schätzen dürfen.

Pannotypie.

Ein negatives Bild, dessen Aufnahmezeit zu kurz genommen wurde, das vielleicht nur wenige Sekunden lang die Lichtwirkung empfing, erscheint, nachdem es fixirt worden, gegen das Licht gehalten zu schwach, d. h.: die dunklen Stellen haben keine Kraft, die Zeichnung sieht verschwommen und undeutlich aus. Es ist dies auch ganz erklärlich: es konnte sich in der kurzen Aufnahmezeit nur wenig Silber reduziren, ein guter Theil blieb als Salzlösung im Collodium stecken und wurde im Fixirbade ausgewaschen. Betrachtet man aber ein solches unfertiges Bild bei auffallendem Licht statt bei durchfallendem, besonders gegen einen dunklen Hintergrund gehalten, so sieht man, dass dasselbe viel besser ist, als es den Anschein hatte; ja es wird in der Regel ausgezeichnet schön sein, und überdies erscheint nun das schwach negative Bild vermöge der dunklen Unterlage als ein gut positives, als ein wirkliches Bild im gewöhnlichen Sinne. Die vom Lichte nur schwach bräunlich gewordenen Stellen erscheinen, wenn das Bild auf Schwarz liegt, als die Lichter, weil sie, zugleich mehr oder weniger undurchsichtig geworden sind und so das Schwarz decken, das an den nicht belichtet gewesenen Stellen durch das dünne Collodiumhäutchen deutlich durchblickt. Die Industrie hat dies nicht unbenutzt gelassen: man machte früher in Unzahl solche unreife Negative auf Collodium, nicht um sie weiter zu kopiren, wozu sie eben nicht taugen, sondern um das Häutchen nach dem Fixiren von der Glasplatte abzulösen und auf schwarzes Wachstuch zu kleben; diese Bilder hiessen Pannotypen. Das ganze Verfahren ist so wenig umständlich, dass man wenige Minuten nach der Aufnahme schon das Abbild seines werthen Ich fertig mitnehmen kann, und dieser Umstand liess die Pannotypen eine Zeit lang sehr viele Liebhaber finden. Indessen hat sich in der Neuzeit der Geschmack des Publikums wieder den vorzüglicheren Leistungen auf Papier zugewandt, und die in den letzten Jahren mit fast ausschliesslicher Vorliebe aufgenommenen Visitenkartenportraits und Cameenbilder sind durchweg Talbotypien [Talbottypien]. Von den Fortschritten in dieser Kunst überzeugt man sich am leichtesten, wenn man die in den letzten Jahren angefertigten Photographien von Hanfstängel in Dresden, Albert in München, Milster in Berlin, Angerer in Wien, Wothly in Aachen, Salomon in Paris u. A. gegen frühere Arbeiten hält. Aber nicht nur die Schönheit der Leistungen, auch die Raschheit in der Herstellung der Bilder hat sich gesteigert. Es werden gewöhnlich bei Portraitaufnahmen für Visitenkartenformat mit einem Male mehrere Negativs auf derselben Glasplatte erzeugt; natürlich erlaubt dieselbe dann auch die Herstellung eines Positivs, welches, wie Fig. 303 zeigt, nur zerschnitten werden darf, um eine Anzahl unter sich gleicher Bilder auf einmal zu geben. Die Herstellung solcher Negative ist aber am besten in einer Camera möglich, welche, wie die in Fig. 304 abgebildete, mit einer entsprechenden Anzahl Objektivs versehen ist.

Dies wären im Allgemeinen die Hauptmethoden einer Kunst, welche sich mit einer Geschwindigkeit wie keine andere über die civilisirte Welt verbreitet und vervollkommnet hat.

Ausser zu den gewöhnlichen malerischen Zwecken hat die Lichtbildnerei auch schon ganz eigenthümliche Anwendungen gefunden. Dahin gehört z. B. das Kopiren werthvoller [Kupferstiche] Kupfer- und Stahlstiche, Manuskripte, Handzeichnungen, und in dieser letzteren Hinsicht leistet sie jedenfalls, weil sie die ursprüngliche Darstellungsweise des schaffenden Künstlers wiedergiebt, mehr als jede andere Vervielfältigungsmethode. Wer die prachtvollen Photographien nach Kaulbach'schen Zeichnungen oder die nach den Preller'schen Cartons zur Odyssee (von Albert in München hergestellt) gesehen hat, wird uns beipflichten, wenn wir sagen, dass eine solche Nachbildung, falls sie eben so dauerhaft ist, die Originalzeichnung vollständig zu ersetzen im Stande ist.

Durch die Photographie ist ferner das Festhalten der durch das Sonnenmikroskop erzeugten vergrösserten Abbildungen höchst kleiner Naturgegenstände gelungen (Mikrotypie), wie überhaupt die Wiedergabe von Merkwürdigkeiten im Gebiete der Naturwissenschaft und Medizin. In letzterer Hinsicht besonders bemerkenswerth und für das Stadium höchst wichtig erscheint die Photographirung Geisteskranker. Ja, selbst die Kriminalpolizei weiss die Kunst für sich auszubeuten. Gefährliche Subjekte mussten sich gefallen lassen, ohne ihren Willen photographisch aufgenommen zu werden; entsprangen sie in der Folge, so schickte man einen illustrirten Steckbrief in die Welt, d. h. man fügte ihr Portrait bei. Dass Miniaturmaler ein kleines photographirtes Portrait nur als schwache Vorzeichnung auf Elfenbeinblättchen entwerfen und dasselbe nachher in Naturfarben ausführen, kommt auch vor und empfiehlt sich als vortheilhaft; es erspart das Zeichnen und sichert das Treffen.

Viele Aufgaben, an denen der Mensch mit seiner blossen Handfertigkeit verzweifeln müsste, löst der zweckmässig geleitete Lichtstrahl gleichsam spielend. Man stelle sich nur einen grossen gothischen Dom vor, sei es von der Portalseite mit den tausendfach wechselnden Zierrathen, Bildsäulen, durchbrochenen Thürmen u. s. w., oder von der vielleicht einfächern Breitseite mit den zahlreichen Fenstern, deren jedes seine eigene Ornamentik hat; man denke sich einen Obelisken von oben bis unten mit Tausenden hieroglyphischer Bilder bedeckt, eine Inschrift, die eine ganze Felswand einnimmt, eine aus zahlreichen Figuren bestehende Marmorgruppe - muss nicht vor allen solchen Aufgaben die Menschenhand zagen, oder könnte sie nur mit ungeheurer Mühe oder in langer Zeit bewältigen? Wahrscheinlich brauchte ein Zeichner so viele Monate zur Aufnahme, als der Lichtstrahl Sekunden braucht, und dann hätte er sein Werk vielleicht zwar kunstgerecht, aber, gegen das Lichtbild gehalten, doch nur aus dem Groben ausgeführt, denn die kleinsten Einzelheiten hat er übergangen, entweder weil er sie nicht sah oder sie nicht wiedergeben konnte; das Lichtbild aber enthält sie, und zwar so ausführlich, dass man sie oft erst durch das Mikroskop ganz erkennen kann.

Die heutige Photographie hat vorzüglich drei Ziele noch zu erreichen: 1. "ein trocknes Verfahren" ausfindig zu machen, das an Sicherheit und Leichtigkeit dem "nassen Verfahren" gleichkommt; 2. mit Sicherheit "augenblickliche Aufnahmen" zu bewerkstelligen und endlich 3. unzerstörbare Abdrücke in beliebiger Anzahl und gleichmässiger Güte zu liefern.

Trockenverfahren.

Ein "trocknes Verfahren" will man ausfindig machen? Wozu dies, da die gewöhnlichen nassen so ausgezeichnete Resultate geben?

Sehr wohl, aber man glaube ja nicht, dass dies Bestreben ein überflüssiges ist. Es hat seinen guten Grund in dem Verlangen, den Unbequemlichkeiten abzuhelfen, welche die Aufnahmen im Freien mit sich führen. Diese Unbequemlichkeiten sind noch jetzt [mannigfach] mannichfach und gross und waren früher noch viel grösser. Wer einen längeren Ausflug unternahm, um Landschaften aufnehmen, musste eine Menge von Sachen mitschleppen, deren Transport ihm Schwierigkeiten bereitete und Kosten verursachte. Neben seinem Apparate hatte er Collodium, Silberbad, Hervorrufung, Fixage und beträchtliche Quantitäten von destillirtem Wasser nöthig. Das war aber noch nicht Alles. Er bedurfte auch einer Dunkelkammer, und um diese aufzustellen und einzuziehen, war die Begleitung von etlichen Gehülfen durchaus nothwendig. Doch selbst wenn alle diese Bedingungen erfüllt waren, liess sich noch nicht auf sichern Erfolg rechnen. Da kam es oft vor, dass die Chemikalien beim Transport verdorben waren, indem entweder das Collodium von der Hitze gelitten hatte, die Silberbadstasche zerschlagen war, die Hervorrufung nicht mehr taugte oder die Glasplatten zertrümmert waren. Aber wer auch diesen Fährlichkeiten entkam, konnte in neue Verlegenheiten gerathen. Zuerst quälte ihn eine wahrhaft tropische Hitze in dem engen Zelte und machte ein sicheres und bedächtiges Arbeiten fast zur Unmöglichkeit, dann brachte nur allzuleicht ein Windstoss, der sein Zelt erschütterte, seine Lösungen und Bäder in Unordnung, ja warf wol gar sein Wachslicht um und steckte das leicht entzündliche Collodium in Brand.

Das trockene Verfahren sollte allen diesen Übelständen abhelfen, indem man statt der Lösungen und Bäder, des Zeltes und all der mannichfachen Bagage nur einige lichtdichte Plattenkasten und eine hinreichende Menge von Exponirrahmen (Kassetten) mitzunehmen brauchte. Die Kassetten konnten den Abend vorher aus dem Plattenkasten gefüllt werden und der Plattenkasten nahm auch die schon exponirten Platten wieder auf. Diese selbst liessen sich nach der Heimkehr hervorrufen und fixiren. So wurde es möglich, den grössten Theil der Arbeiten im Hause, statt im Felde, zu verrichten.

Die Vortheile dieser Methode liegen auf der Hand, sie sind aber schwierig zu erreichen, weil die trocknen Platten nur geringe Empfindlichkeit zeigen. Der Abbé Desprats aus Louhaus, der mit dem ersten Trockenverfahren 1855 hervortrat, überzog seine Platten wie gewöhnlich mit jodirtem Collodium und brachte sie dann in das Silberbad. Statt sie aber beim Herausnehmen aus dem Silberbade sofort zu exponiren, tauchte er sie in eine Schale mit destillirtem Wasser, wo er sie etwa eine Minute liegen liess und dann trocknete. Wenn sie nun später exponirt waren, wurden sie abermals in destillirtes Wasser gelegt, das Bild aber dann auf die gewöhnliche Art hervorgerufen und fixirt. Da nun das Jodsilber für sich allein nicht lichtempfindlich ist, sondern dies erst durch das freie Silbernitrat wird, so lässt sich leicht einsehen, wie sehr bei diesem Verfahren die Empfindlichkeit leiden musste.

Indem man dem Collodium durch Zusätze von Sirup, Honig, Zucker oder dergleichen seine schwammartige Struktur, die es beim Trocknen verliert, zu erhalten suchte, machte man einen Schritt vorwärts. Taupenot überzog die Collodiumhaut mit einer dünnen Schicht von jodirtem Eiweiss, und durch die glückliche Vereinigung von Collodium und Eiweiss wurde es zuerst möglich, Platten zu bereiten, die länger als ein Jahr empfindlich blieben. Statt des Eiweisses empfahl Norris einen Überzug von Gelatine, Lyte brachte Metagelatine in Anwendung u. s. w.

Fothergill schlug 1855 vor, die empfindlich gemachte Platte nach dem Wegwaschen des freien Silbernitrats mit blossem verdünnten Albumin zu überziehen. Leider ist sein Verfahren aber auch nicht frei von grossen Mängeln. Flecken und Streifen sind schwer zu vermeiden, und das Gelingen ist gar zu sehr durch die mechanische Struktur des Collodiums bedingt.

Alle diese Übelstände werden durch das Tanninverfahren beseitigt, welches Major Russell im Laufe des Jahres 1861 veröffentlichte. Durch dasselbe hat das trockne Collodium sich in Bezug auf Sicherheit und Schönheit der Resultate dem nassen Verfahren würdig an die Seite gestellt. Russell überzieht seine Glasplatte, um das Anhaften der Collodiumschicht zu befördern, entweder mit Gelatine oder Guttapercha. Wenn die Ränder überfirnisst werden, kann dieser Überzug dann auch wegbleiben und das Collodium wird wie gewöhnlich aufgetragen. Nach dem Empfindlichmachen im Silberbade wäscht man die Platte reichlich mit Wasser, um das freie Silbernitrat zu entfernen, und überzieht sie in noch feuchtem Zustande sofort mit einer Tanninlösung, die man von selbst trocknen lässt oder durch künstliche Wärme trocknet. Die so bereiteten Platten können nun entweder gleich oder beliebige Zeit nachher zu Aufnahmen verwendet werden. Sie geben gleichmässige und gute Bilder, verlangen aber eine ziemlich lange Exposition.

Diesen letzten Übelstand hat Professor Draper in New-York mit Erfolg zu heben gesucht. Sein Verfahren lässt sich mit dem eines Künstlers vergleichen, der durch einen Strich eine Zeichnung effektvoll korrigirt. Seine Platte wird ganz so präparirt, wie Major Russell angiebt, nach der Belichtung wird sie aber in warmes Wasser getaucht und nach dem Herausnehmen mit dem gewöhnlichen kalten Entwickler übergossen und hervorgerufen. Der Erfolg ist ein aussergewöhnlicher, indem die Belichtungszeit bedeutend verkürzt wird. Bei einem Versuche, wo Wasser von 43° C. angewendet wurde, liess sich die Belichtungszeit schon auf 1/20 der Zeit reduziren. Nehmen wir nun an, dass eine gut präparirte Tanninplatte von Stereoskopformat ungefähr eine Beleuchtungszeit von 40 Sekunden nach der gewöhnlichen Art enfordert [erfordert], so würde eine mit warmem Wasser behandelte Platte in zwei Sekunden genügend belichtet sein. Was Professor Draper glücklich begonnen, hat Th. Sutton erfolgreich zu Ende geführt. Seine Methode der alkalischen Entwicklung, in welcher dem Hervorrufer statt einer Säure ein Alkali zugesetzt wird, hat es ihm möglich gemacht, so rasch zu arbeiten, dass selbst die am Strande sich brechende Woge auf seiner Platte sich abbildet.

Lange waren die Gelehrten in Zweifel, wie das Tannin eigentlich wirke, bis neuerdings Poitevin nachgewiesen hat, dass Tannin im Stande ist, unempfindliches Jodsilber empfindlich zu machen, indem es gleichsam das weggewaschene Silbernitrat ersetzt. Daneben hat es aber auch einen mechanischen Einfluss, indem es die Poren des Collodiums für die volle Einwirkung des Entwicklers auf das belichtete Jodsilber offen erhält.

Diese Vorzüge des Tannin, verbunden mit der Einfachheit und Sicherheit des Russell'schen Verfahrens, haben das Tanninverfahren zu einem Weltverfahren gemacht, welches, gleich sehr von Praktikern wie von Liebhabern geübt, wol noch lange der Ausgangspunkt für alle wirklichen Fortschritte in dem "trocknen Verfahren" bleiben wird, weil es eben den vielseitigsten Anforderungen entspricht. Freilich muss noch viel geschehen, ehe das Ziel erreicht ist, aber die Errungenschaften weniger Jahre berechtigen zu der Erwartung, dass die trocknen Verfahren endlich den nassen Verfahren den Vorrang ablaufen werden. Damit würde die Photographie in ein neues Stadium treten und ein Gemeingut aller Gebildeten werden.

Denn durch die trocknen Verfahren wird es ausführbar, die empfindlichen Platten auf lange Zeit voraus zu präpariren, sie fabrikmässig darzustellen und auf Lager zu halten. Es braucht also der Einzelne nicht mühsam seine Platten zu putzen, sein Collodium zu bereiten und das Silberbad herzurichten. Dies Alles ist schon geschehen, ist besser geschehen, als er es vollbringen könnte. Die fertige Platte bedarf nur der Belichtung, der Hervorrufung und Fixirung, um das gewünschte Bild zu liefern. Will man Abdrücke davon, so lassen diese sich billig durch die schon jetzt in grossen Städten bestehenden Kopiranstalten beschaffen.

Neben dem Tanninverfahren haben in den letztern Jahren die Trockenverfahren mit Gummi und Zucker, gezuckertem Kaffee und mit essigsaurem Morphin grossen Beifall und weite Verbreitung gefunden, während die Verwendung einer Abkochung von Thee, Leinsamen oder Rosinen und die Braunbierverfahren immer mehr in den Hintergrund treten. In England werden schon seit Jahren trockne Platten fertig in den Handel gebracht, sie sind aber noch zu kostspielig und zu unzuverlässig, um allgemeine Benutzung zu finden.

Erst wenn die trocknen Platten ein gangbarer und billiger Handelsartikel geworden, wird die Photographie die Stelle des Zeichners vertreten können und Lehrgegenstand in den Schulen werden. Denn darin liegt ihre weltgeschichtliche Bedeutung, dass sie der Wissenschaft und dem Verkehre zu dienen berufen ist; sie ist nicht da, um einigen Krämerseelen, welche der Kunst und der Wissenschaft gleich fern stehen, eine gewinnbringende Einnahmequelle zu sein. Sie bietet allen Ständen ihre Dienste an und sendet keinen "unbeschenkt zurück". Sie verzeichnet dem Astronomen den Lauf der Gestirne, fixirt dem Arzt die Stadien der Krankheit, liefert dem Juristen Verbrechergalerien, giebt dem Sprachforscher genaue Nachbildung seltener Pergamente, dient dem Taktiker, den Gang der Schlachten zu verzeichnen, und erfreut den Psychologen und Physiognomen mit Material für seine Studien. Sie versieht den Handwerker mit Modellen, unterstützt den Landschaftsmaler, belehrt den Geographen, fördert die Studien des Botanikers, des Zoologen und Mineralogen, sie beobachtet für den Physiker und spornt die Forscherlust des Chemikers an; ja, sie wird zuversichtlich noch Kreisen nützlich werden, welche bislang nicht im Entferntesten an die Heranziehung dieser nützlichen Kunst gedacht haben.

Augenblicksbilder.

Hierin liegt die Bedeutung der trocknen Verfahren, die noch um Vieles erhöht würde, wenn es gelänge, auf sichere und bequeme Art die sogenannten Augenblicksbilder in dieser Weise herzustellen. Die Photographische Gesellschaft in Marseille hat sich deshalb um die Photographie ein grosses Verdienst erworben, als sie für "ein augenblickliches Verfahren auf trocknem Collodium" einen Preis von 500 Franken aussetzte. Auf feuchtem Collodium sind schon eine beträchtliche Anzahl höchst gelungener Versuche in augenblicklichen Aufnahmen gemacht, wovon wir besonders die Stereoskopbilder von Ferrier und Soulier in Paris und die herrlichen Leistungen von Wilson aus Aberdeen hervorheben wollen. Am meisten Werth hat die Augenblicksphotographie für das Portraitiren. Hier kommt es vorzüglich darauf an, die momentane Stimmung wiederzugeben und so dem Bilde Leben einzuhauchen. Niemand kann 16 bis 20 Sekunden unbeweglich in derselben Stellung verharren, ohne den Gesichtsausdruck zu verändern oder mit den Augen zu winken. Und wenn er es möglich macht, gleichsam zu erstarren, was für eine steife Gliederpuppe tritt uns im Bilde entgegen! Hat Lamartine nicht Recht, wenn er diese Art der Photographie eine Negation der Kunst nennt?

"Der Maler" - sagte er in den "Entretiens littéraires" - "würde nicht ein Schöpfer sein, wenn er sich darauf beschränkte, die Natur abzuklatschen, ohne sie Auszuwählen, ohne sie zu empfinden, ohne sie zu beleben, ohne sie zu verschönern, und diese engherzige Genauigkeit der Photographie ist es, welche mich veranlasst, diese Erfindung des Zufalls, welche niemals eine Kunst sein wird, sondern nur ein Diebstahl an der Natur unter Beihülfe der Optik ist, aus Herzensgrunde zu verachten.

Ja wohl, die Portraitphotographie ist oftmals eine Negation der Kunst, sie ist aber kein Diebstahl an der Natur, weil sie die reine Unnatur, eine Karrikatur der Natur ist. Sie steht dadurch im Gegensätze zur Kunst, welche den reinsten Ausdruck der Natur wiedergiebt, nicht aber sie verzerrt. Der Künstler weiss die rechte Wahl, den rechten Punkt zu treffen, den Augenblick zu ergreifen, denn eben

.um - Wer den Augenblick ergreift. Der ist der rechte Mann. .um +

Kann die Photographie Augenblicksbilder im wahren Sinne des Wortes herstellen, so wird sie dem Künstler seinen Griffel und seine Tusche ersetzen und im Dienste der Kunst die Natur wählen, empfinden und beleben. Ihre Leistungen werden Kunstwerke, die es verdienen, den raschen, vernichtenden Gang der Zeiten zu überdauern, dem sie bisher unwiderruflich zum Opfer fielen.

Als die photographische Technik einigermassen ausgebildet war und die Wissenschaft dem Collodiumverfahren eine sichere Grundlage gegeben hatte, fing man auch schon an, der photographischen Kunst ein anderes Ziel zu stecken, als die gering geschätzte Nebenbuhlerin der schlechtesten Art von Portraitmalerei zu sein. Der berühmte französische Photograph Disdéri wies schon in den Fünfziger Jahren auf ihre ungemeine Wichtigkeit für die Verbreitung künstlerischen Sinnes und edler Bildung durch die getreue und billige Wiedergabe der Meisterwerke von Pinsel, Meissel und Kelle hin; er schlug vor, die bedeutendsten Kunstwerke aller Völker und Zeiten zu kopiren und sie in den Dunst der Hütten wie in den Glanz der Paläste hinauszuschicken, damit sie ein beredtes und belehrendes Zeugniss ablegten von den Gedanken und Ideen der schöpferischen, bahnbrechenden Geister. Und dem Worte liess Disderi die That auf dem Fusse folgen, indem er 1855 sein "Album de Versailles

veröffentlichte. Sein Vorgang fand Nachahmung, nicht nur in Frankreich, sondern in der ganzen gebildeten Welt. Laien und Fachphotographen beeiferten sich, die ihnen zugänglichen Kunstschätze zu kopiren; allein ein Übelstand trat dabei hindernd in den Weg: die eigenthümliche Wiedergabe der Farben durch die photographischen Präparate, indem z. B. Zinnoberroth und Krapproth, welche durch Mischen dieselbe Farbe geben, auf dem Negativ in ganz verschiedener Nüancirung auftreten; Gelb, Roth und Grün in der photographischen Aufnahme schwarz, Blau, Violet und Indigo aber weiss wiedergegeben werden. Doch auch hier hat der Fortschritt, das Wunderkind der Erfahrung und des Nachdenkens, die Hauptschwierigkeiten weggeräumt, und Disdéri's Wunsch hat sich verwirklicht - sie wandern hinaus, die wunderbaren Schöpfungen hervorragender Geister, um aller Welt das Evangelium der Humanität zu predigen.

In dieser Richtung hat sich manche deutsche Firma einen weitgenannten Namen erworben. Wer kennt nicht die Albert'schen Kopien Kaulbach'scher Cartons, die Schauer'schen Nachbildungen der Gemälde Rafael's sowie der Kaulbach'schen Shakespearegalerie, die Dresdener Galerie von Hanfstängl, die Photographien der Kaulbach'schen Freskogemälde im Treppenhause des Neuen Museums in Berlin von Bette u. s. w. Einen hervorragenden Rang nimmt durch Billigkeit und Schönheit der Erzeugnisse die "Photographische Gesellschaft" in Berlin ein, indem sie für wenige Groschen Visitenkartenbilder der hervorragendsten Kunstschöpfungen in den Handel bringt.

Leider hat aber mit der Ausbildung der Kopirverfahren die Haltbarkeit der Bilder sich nicht gesteigert. Wie einst der grimmige Gott der Zeit, der alte Saturnus, seine eigenen Kinder zu verschlingen pflegte, so vertilgt jetzt der Lichtgott Apollo seine modernen papiernen Erzeugnisse, so dass von manchen Bildern im Verlauf der Jahre wol kaum etwas Anderes übrig sein wird als der Firmenstempel, der dann gleichsam hohngrinsend den Urheber des leeren Fleckes der Nachwelt meldet. Wer die verblassten Kopien berühmter Wandgemälde und Ölbilder in der Düsseldorfer Akademie betrachtet, wird uns beistimmen, dass die Photographischen Erzeugnisse dem flüchtigen Sonnenstrahle gleichen, den man zwar bewundern muss, aber nicht festhalten kann.

Unvergängliche Photographien.

Unsere photographischen Bilder sind den Eintagsfliegen ähnlich. Durch das Licht entstanden, verschwinden sie wieder durch das Licht. Sie kamen wie Schatten und kehren rasch ins Schattenreich zurück. Diese vergängliche Natur der positiven Bilder hat eine Reihe von Versuchen veranlasst, um dauerhafte Abdrücke zu erzielen. Der Herzog von Luynes hat diesen Nachforschungen einen neuen Anstoss gegeben durch einen Preis von 10,000 Franken, welchen er für das beste Verfahren aussetzte, wodurch unzerstörbare Bilder mit verringerten Kosten und von gleicher Güte wie die Chlorsilberbilder erzeugt werden können. Obwol nun dieses Ziel noch nicht vollständig erreicht wurde, so ist doch endlich eine Lösung des Problems nicht zu bezweifeln.

Fox Talbot, der Erfinder der Talbotypie, beachtete zuerst die Eigenthümlichkeit des doppeltchromsauren Kali, mit organischen Substanzen, wie Gelatine, Albumin, Gummi u. s. w., unter dem Einflüsse des Lichtes eine unlösliche Verbindung einzugehen. Poitevin benutzte diese Thatsache zur Bereitung empfindlicher Papiere, indem er das Papier mit einem organischen Stoffe tränkte, dem ein Chromsalz zugefügt war. Nach dem Trocknen wurde das Papier unter einem Negativ belichtet und dann mit Druckerschwärze überzogen. Beim Eintauchen ins Wasser lassen die nicht vom Licht getroffenen Stellen die Schwärze fahren, weil sie vom Wasser gelöst werden; an den vom Lichte geänderten Partien bleibt dagegen die Schwärze haften, und zwar um so mehr, je mehr sie vom Lichte beeinflusst wurden.

Ähnliche Prinzipien liegen dem Kohleverfahren von Pouncy zu Grunde. Er mischt eine gesättigte Lösung von doppeltchromsaurem Kali mit Gummi arabicum und fein zerriebener Pflanzenkohle und trägt diese Mischung mit einem Pinsel gleichmässig auf Papier, welches nach dem Belichten im Wasser ausgewaschen wird. Überall, wo das Licht nicht eingewirkt hat, bleibt die Mischung löslich und wird mit der Kohle vom Wasser fortgenommen, während die durch das Licht unlöslich gewordene organische Materie auch die Kohle zurückhält. In neuerer Zeit hat Swan dieser Methode grössere Ausbildung und Vollendung gegeben, während Braun in Dornach sie mit grossem Erfolge in der Praxis verwerthet. Eine Verbindung des Kohleverfahrens mit dem Metalldruck ist das Photoreliefverfahren, welches Woodbury und Swan 1865 fast gleichzeitig fanden, das aber von Woodbury am meisten vervollkommnet wurde. Er überzieht mit einer Lösung von Gelatine in Wasser (1 Gelatine : 5 Wasser), zu dem eine wässerige Lösung von doppeltchromsaurem Ammoniak (1 Ammoniak : 4 Wasser) gesetzt wird, gut polirte Glimmerblättchen, nachdem diese mittels Anfeuchtens auf einer Glasplatte befestigt sind. Der getrocknete Überzug wird mit dem Glimmer nach dem Trocknen von der Glasplatte abgehoben und, mit der Glimmerseite am Negativ, belichtet. So erhält man, nach der Entfernung der unbelichteten Chromogelatine durch Eintauchen in lauwarmes Wasser, ein scharfes erhabenes Bild, von dem nun eine Druckform durch Abdruck in weichem Metall mittels einer hydraulischen Presse hergestellt wird. Von diesen Hohlformen erhält Woodbury mittels einer mit Tusche gefärbten Gelatine Abdrücke auf Papier, von denen er in einer Woche 30-40,000 herstellen kann.

Alle diese Methoden liefern allerdings unzerstörbare Bilder. Dieselben haben aber nicht die schöne Tonabstufung und die Schärfe der Chlorsilberbilder. Ihnen näher stehen die Uranbilder von Niépce von St. Victor, dem Neffen des Erfinders der Photographie. Niépce von St. Victor ist von einem eben so unermüdlichen Forschergeiste beseelt, wie sein Oheim. Er wurde am 26. Juli 1806 in St. Cyr, in der Nähe von Chalons sur Saone [Saône], geboren und trat frühzeitig in die Armee ein. In dem einförmigen Garnisonleben verstrich sein Leben ohne Inhalt und Bedeutung, bis eines schönen Tages ein Zufall demselben eine ernstere Richtung gab. Ein Tröpfchen Citronensaft hatte seine krapprothe Uniformhose fleckig gemacht, und umsonst bemühte sich der besorgte Offizier, den Flecken fortzuschaffen. Nachdem er mehrere Mittel vergeblich probirt, gelang es ihm endlich, mit einigen Tropfen Ammoniak die Farbe wieder herzustellen. Die Thatsache frappirte ihn, er machte weitere Studien über die Einwirkung der Säuren auf Farbstoffe und war bald darauf im Stande, seiner Regierung durch seine Kenntnisse eine Summe von wenigstens 100,000 Franken zu ersparen. Es war nämlich beschlossen worden, bei 13 Kavallerieregiementern die Farbe der Aufschläge, Kragen u. s. w. zu verändern; die Unternehmer, mit denen man verhandelte, forderten für jede Uniform 6 Franken. Da trat Niépce mit einem neuen Mittel auf, wodurch sich die Kosten auf einen halben Frank reduzirten. Und die Regierung - hat ihn reich belohnt, nicht wahr? Im Gegentheil, der bescheidene Dragoneroffizier, welcher selbst die Kosten einer Reise nach Paris bestritten hatte, um dem Minister die Resultate seiner Forschungen mitzutheilen, begnügte sich mit der Zusage, dass er bei nächster Gelegenheit nach Paris versetzt werden solle. Der erste Erfolg seiner Studien verdoppelte seine Anstrengungen, und bald war er mit der Chemie hinlänglich vertraut, um die Forschungen seines Oheims aufnehmen zu können. Aber ihm fehlten die Bücher und Hülfsmittel, welche nur Paris bieten konnte. Endlich, nach dreijährigem Harren, gelang es ihm, dorthin versetzt zu werden. Nun beginnt eine Reihe von Entdeckungen, die eben so viele Bausteine zum Wunderbau der heutigen Photographie abgaben. Zu diesen Entdeckungen gehört auch das Uranverfahren, welches wir in Folgendem besprechen wollen.

Das Papier, welches man hierzu verwendet, bedarf keiner besondern Vorbereitung, nur muss man es mehrere Tage im Dunklen aufbewahrt haben. Um es empfindlich zu machen, wird es einige Minuten auf eine Auflösung von salpetersaurem Uranoxyd in destillirtem Wasser gebracht und dann im Dunklen getrocknet. Die so bereiteten Blätter bleiben lange empfindlich. Wenn sie in der Sonne etwa 10 Minuten und im Schatten eine Viertelstunde bis zu einer Stunde unter dem Negativ exponirt sind, zeigt sich ein schwaches Bild, welches durch Eintauchen in ein Bad von essigsaurem Silberoxyd verstärkt werden kann. Statt dieses Bades lässt sich auch eine Auflösung von Goldchlorid verwenden. In beiden Fällen werden die Bilder durch einfaches Waschen in gewöhnlichem Wasser fixirt. Der chemische Vorgang ist ganz derselbe, wie in den beiden vorhergehenden Fällen, indem dort wie hier vom Licht getroffene Theile des Salzes unlöslich werden. Die Uranbilder sind durch chemische Mittel unangreifbar, sie widerstehen selbst einer kochenden Cyankaliumlösung.

Vor Niépce hatte schon 1857 der englische Forscher Burnett ein Uranverfahren empfohlen, worin das Uransalz zum Collodium gesetzt und mittels desselben auf dem Pahier ausgebreitet wird. Burnett's Angaben sind von dem Hofphotographen Wothly in Aachen zu einem interessanten Verfahren ausgebildet worden, welches derselbe als "Wothlytypie

bezeichnete. Wothly's Bilder dürfen mit den Leistungen der alten Methode an Schönheit mindestens konkurriren; dass sie nicht dauerhafter sind, hat seinen Grund darin, dass sie den Krebsschaden des [Chlorsilberverfahrens] Chlorsilber- und Albuminverfahrens, die Fixirung mit unterschwefligsaurem Natron, ebenfalls nicht entbehren können. Wothly versetzt Collodium mit salpetersaurem Uranoxyd und salpetersaurem Silberoxyd und trägt dieses auf ein vorher mit Arrow-Root präparirtes und dann satinirtes Papier. Nach der Belichtung kommt die Kopie in verdünnte Essigsäure, wird ausgewaschen und in ein Chlorgoldbad getaucht. Dann legt man sie in das unterschwefligsaure Natron, dessen Anwendung keineswegs, wie von Wothly Anfangs behauptet wurde, ganz zu vermeiden ist.

Neben den mitgetheilten Verfahren giebt es noch eine Reihe von ähnlichen Versuchen, die mehr oder minder zweckentsprechend sind. Alle trifft aber der gleiche Tadel, dass sie das Chlorsilber- und Albuminverfahren nicht erreichen und nicht Bilder von gleichmässiger Güte liefern. Beide Punkte müssen aber erfüllt werden, wenn die Photographie für wissenschaftliche Zwecke Verwendung finden soll.

Was die trocknen Platten für das Negativverfahren sind, das soll das Collodiumpapier für das Kopiren sein - ein Erleichterungsmittel der Arbeit durch Theilung der Arbeit und eine Kostenersparniss durch fabrikmässige Darstellung des Materials. Das Collodiumpapier wurde in Deutschland 1866 von Obernetter in München in vorzüglicher Güte in den Handel gebracht. Es ist mit einem Collodium überzogen, welches mehrere Monate empfindlich bleibt und Abdrücke liefert von einer Feinheit und Vollendung, wie sie nie zuvor erreicht wurden. Leider bekommt das Collodium leicht Risse und springt vom Papier ab, Übelstände, welche durch Versuche und Erfahrungen gewiss bewältigt werden können.

So kleben jedem Kopirverfahren gewisse Mängel an, denen die Vervielfältigung eines guten Negativs durch die Druckerpresse, entweder auf dem Wege der Lithographie oder des Stiches, allein abhelfen kann. Das erkannte schon der ältere Niépce, dessen ursprüngliches Streben nur darauf gerichtet war, Bilder für den Druck herzurichten. Sein Neffe, Niépce von St. Victor, nahm 1863 diese Versuche wieder auf und gelangte bald zu beachtungswerthen Resultaten. Nicéphore Niépce hatte sich einer polirten Zinnplatte bedient, Niépce von St. Victor nahm dafür eine Stahlplatte. Er bezeichnete sein Verfahren als Gravurs héliographique und sagt, dass diese für die Photographie sei - "ce que le burin est au crayon" - was der Grabstichel für die Bleistiftzeichnung.

Niépce von St. Victor hat die Resultate seiner heliographischen Forschungen in seinem "Traité pratique de gravure héliographique (1856)

vollständig dargelegt. Nachdem die Stahlplatte gut gereinigt und polirt ist, trägt er einen Firniss von Benzin, Citronenschalenöl und Judenpech auf. Der getrocknete Firniss wird nun mit einem positiven Lichtbild bedeckt und exponirt; dann werden die vom Lichte nicht veränderten Theile des Firnisses durch ein Gemisch von Naphtha und Benzin entfernt, und schliesslich wird die Platte mit Wasser abgespült und getrocknet. Damit ist ein Theil der Operation beendet, es bleibt nur noch das Ätzen übrig. Dies geschieht durch Salpetersäure, die stark mit Wasser und Alkohol verdünnt wurde. Besser wirkt aber in gewissen Fällen eine gesättigte Lösung von Jod in Wasser. Wenn das Ätzmittel hinlänglich gewirkt hat, wird es mit Wasser fortgespült, und die Platte ist nun zum Druck hergerichtet. Niépce hat nach dieser Methode Platten hergestellt, die ohne Nachhülfe des Graveurs tadellose Abdrücke gaben.

Ein ähnliches Verfahren ist von Fox Talbot angegeben. Nur verwendet er als empfindliche Schicht nicht Judenpech, sondern das doppeltchromsaure Kali in Verbindung mit Gelatine. Nach der Belichtung wird das Bild durch eine wässerige Lösung von Eisenchlorid in den Stahl geätzt. Das vom Licht getroffene Chromsalz hat sich reduzirt und mit der Gelatine eine unlösliche Verbindung eingegangen. Wo dies geschehen ist, also auf der ganzen Bildfläche, wird die wässerige Lösung des Eisenchlorids nicht absorbirt, sondern zurückgestossen und so das Metall vor der Einwirkung des Ätzmittels geschützt, während an den vom Lichte nicht veränderten Stellen der Platte das Metall selbst angegriffen wird. Dass die Methode von praktischem Werthe ist, hat Talbot durch die schönen Probebilder der Ausstellung von 1862 bewiesen.

Abweichend von den eben mitgetheilten Methoden, sucht Paul Pretsch aus Wien durch die Vereinigung zweier Künste, der Photographie und Galvanographie, dasselbe Ziel zu erreichen. Eine Glasplatte wird zuerst mit einer Mischung von doppeltchromsaurem Kali und Gelatine überzogen und dann auf dieser Fläche durch die Wirkung des Lichtes ein Bild erzeugt. Nun kommt es darauf an, erhöhte und vertiefte Flächen auf dem Glase zu erhalten. Zu dem Ende wird Wasser angewendet. Die Gelatine hat nämlich die Eigenschaft, durch Einsaugen von Wasser aufzuschwellen, eine Eigenschaft, welche die mit doppeltchromsaurem Kali verbundene Gelatine unter dem Einflüsse des Lichtes verliert. Durch das aufgegossene Wasser schwellen also nur die Theile auf, welche vom Lichte unberührt geblieben; das Bild senkt sich. Man stellt nun eine Guttaperchaform vom Bilde her, macht diese durch Kohlenpulver leitend und schlägt auf galvanischem Wege Kupfer darauf nieder. Die so erhaltenen Kupferplatten werden auf gewöhnliche Weise zum Druck verwendet. Pretsch lieferte als Belege während der Ausstellung von 1862 eine grosse Reihe trefflicher Bilder.

Eben so erfolgreich, wie jene Bestrebungen, die [Stahlplatte] Stahl- und Kupferplatte zur Vervielfältigung der photographischen Bilder zu verwenden, waren die Bemühungen, den lithographischen Stein zu diesem Zwecke dienstbar zu machen. John Osborne aus Melbourne war der Erste, welcher 1859 nach den Fehlversuchen Poitevin's das Richtige traf. Er überzieht albuminirtes Papier mit einer Lösung von doppeltchromsaurem Kali und Gelatine, das hieraus erhaltene Bild überträgt er auf den Stein. Dieselbe Methode, oder wenigstens eine Methode, die in ihren Grundzügen mit Osborne's Angaben übereinstimmt, hat E. I. Asser in Amsterdam durchaus selbständig gefunden. Da sein Verfahren in der "Zinkographie des Oberst James" eine folgenreiche Ausbildung gefunden, wollen wir gleich davon reden.

Asser überzieht ungeleimtes Papier mit einer Auflösung von Stärke in Wasser und bringt es nach dem Trocknen auf eine gesättigte Lösung von doppeltchromsaurem Kali in Wasser. Das nun im Dunklen getrocknete Papier giebt von einem kräftigen Negative nach einer kürzeren oder längeren Belichtung ein schönes braunes Bild auf orangefarbenem Grunde, welches durch Ausspülen in Wasser fixirt wird und dann durch Ausbreiten auf einer stark erhitzten Marmorplatte die Fähigkeit erhält, Druckerschwärze leicht anzunehmen. Nachdem das etwas angefeuchtete Papier damit überzogen ist, bringt man dasselbe auf einen lithographischen Stein und zieht es mit diesem durch die Presse. Hier entsteht ein reines und klares Bild, welches in gewöhnlicher Weise vervielfältigt werden kann.

Im Jahre 1860 wurde dies Verfahren in dem Bureau der Landesvermessung (Ordnance Survey) zu Southampton angenommen und nach und nach in einzelnen Punkten verbessert. Statt auf den lithographischen Stein wird das Bild auf Zink übertragen und mit einem schwachen Ätzmittel, aus verdünnter Phosphorsäure in Gummiwasser, eingeätzt. Oberst James, der Direktor der Landesvermessung, hat die Zinkographie zuerst zur praktischen Verwendung gebracht. Man berechnet, dass er der Regierung schon mehr als 100,000 Pfd. Sterl. dadurch erspart habe. Gewöhnlich ist nämlich der Massstab, den der Vermesser eines Distriktes seiner Karte zu Grunde legt, bei weitem grösser als derjenige, welchen er für die Veröffentlichung wählen würde, weil bei einem kleinen Massstäbe das Eintragen der Einzelheiten zu zeitraubend wäre. Die Folge davon ist, dass die Karte, bevor sie gestochen oder auf Stein gezeichnet werden kann, reduzirt werden muss, eine Arbeit, die bei genauen Karten höchst mühsam und kostspielig ist, ausserdem nicht immer befriedigend ausfällt. Die Photozinkographie hilft diesen Unbequemlichkeiten auf einfache und sichere Art ab. Sie hat ausserdem in allerneuester Zeit eine andere Verwendung gefunden, die ein allseitiges Interesse in Anspruch nimmt. Lovel Reeve, ein berühmter englischer Photograph, hat bereits auf zinkographischem Wege Facsimile's von Shakspeare's Sonetten sowie "The Lover's Complaint" herausgegeben. Ausser der Veröffentlichung der seltenen Quartausgaben der Werke Shakespeare's, sowie der Folioausgabe von 1623, dürften in Kurzem dieser Methode werthvolle und bisher den Meisten unzugängliche Hülfsmittel für das literarhistorische Studium zu verdanken sein.

Eine Modifikation des Talbot'schen Verfahrens mit doppeltchromsaurem Kali ist die von dem berühmten Hofphotographen Albert in München in den letztern Jahren mit Glück gepflegte "Albertotypie", die von andern Ausübern als "Lichtdruck" bezeichnet wird. Albert's Verfahren ist im Einzelnen noch Geheimniss, scheint aber seine Erfolge mehr dem Manipulationsgeschick und der technischen Erfahrung wie dem Kunstsinn seines Urhebers, als der Anwendung eines neuen Prinzips zu verdanken. Ausgezeichnetes im "Lichtdruck" leistet auch Julius Loth in Wien, wie das saubere Bild des Fräulein Wolter, welches dem "Wiener phot. Jahrbuche für 1871" vorgedruckt ist, zur Genüge bekundet.

Auch für die Holzschneidekunst hat man die Photographie vielfach zu verwenden gesucht. Fast alle Versuche scheiterten aber, weil die photographischen Präparate den Holzstock so übel zurichteten, dass der Holzschneider, abgesehen davon, wie sehr sein Auge bei dem Schnitte litt, nur selten ein befriedigendes Erzeugniss zu liefern vermochte. Bei Verwendung des oben besprochenen Urancollodiums fällt dieser Umstand weg, und eine damit erlangte photographische Abbildung soll kaum mehr Schwierigkeit machen, wie eine Bleistiftzeichnung. Eine sichere Methode der Übertragung von Photographien auf Holzstöcke wird von Loth in Wien geübt und geschäftsmässig verwerthet Dieselbe besteht darin, dass das photographische Bild auf einer Glasplatte hervorgebracht wird, welche mit einer Lösung von doppeltchromsaurem Kali, gemischt mit Gummi und Honig, überzogen ist. Das nur wenig sichtbare Chromsalzbild wird durch Aufstreuen von geglühtem Kienruss oder einer andern Staubfarbe hervortreten gemacht, da die vom Lichte nicht getroffenen Stellen die Farbetheilchen festhalten. Jetzt überzieht man das Bild mit Collodium, welches die Farbetheilchen aufnimmt. Die Chromsalztheilchen beseitigt man durch ein Bad von verdünnter Salzsäure, welche zugleich das Collodium von der Glasplatte lockert. Es erübrigt nur, das Collodiumhäutchen mit dem Bilde auf den Holzstock zu übertragen, was sehr leicht geschieht, wenn man das Häutchen in einer Lösung von Zuckerwasser schwimmen lässt und es mit dem an den Seitenflächen und der Hinterfläche mit Wachspommade gegen die Flüssigkeit geschützten Holzstock im passenden Moment auffängt. Ist das Bild getrocknet, so hängt es an dem mit Leimwasser grundirten Holzstock so fest, dass es deutlich sichtbar bleibt, wenn das Collodium durch Auflösen in Aether davon entfernt wird. Von der Schärfe der so erhaltenen Bilder giebt Fig. 307 eine Anschauung.

Eine neue und interessante Art der Photographie sind die eingebrannten Bilder, welche zuerst Lafon de Camarsac in Paris und Obernetter in München, Grüne in Berlin und Leth in Wien, neuerdings auch Andere, in hoher Vollendung unzerstörbar auf Porzellan, Teller, Tassen, Pfeifentöpfen u. s. w. herstellen.

Weit verbreitet und allbekannt sind die sogenannten Mikrographien, auch Stanhopes, unendlich kleine Bildchen, von welchen bis zu 2000 auf die Fläche eines Quadratcentimeters gehen und die, am Ende einer Cylinderloupe aufgeklebt, beim Hindurchsehen vergrössert erscheinen. Diese Erfindung von Tagron in Paris debütirte zuerst in grossartigem Massstäbe auf der Londoner Industrieausstellung vom Jahre 1862.

Neben der Verkleinerungsphotographie steht die Megalophotographie, welche nach kleinen Negativen Bilder in und über Lebensgrösse liefert. Durch verbesserte Apparate und Methoden ist es jetzt möglich geworden, mit Sicherheit und Raschheit Erfolge zu erzielen, welche vor Jahren noch im Bereiche der Fabel zu liegen schienen.

Als artige Spielerei tauchten 1866 in Berlin die "Zauberphotographien

auf, denen später die "Rauchphotographien" folgten. Es sind photographische Bilder, welche durch Eintauchen in eine schwache Sublimatlösung zum Verschwinden gebracht wurden, aber sich durch unterschwefligsaures Natron oder durch Tabaksrauch wieder hervorrufen liessen. Das den "Zauberphotographien" beigegebene Löschblatt enthält unterschwefligsaures Natron, welches beim Anfeuchten des Papiers auf das darunter befindliche Bild einwirkt und dasselbe eben so zum Vorschein bringt, wie der Rauch die kleinen Bilder in den Cigarrenspitzen entwickelt.

Noch eine Erweiterung der Photographie, die Photoskulptnr, welche, 1862 von Villême in Paris eingeführt, jetzt auch von Bengue in Triest geübt wird, möge hier Erwähnung finden, wenn auch nur dem Namen nach, da ihre Leistungen sehr beschränkt sind. So schreitet die Photographie unaufhaltsam weiter und vervollkommnet sich mit jedem Schritte. Ob sie wol auch noch einmal dahin kommen wird, die natürliche Farbe der Gegenstände wiederzugeben?

Zahllose Versuche sind in dieser Hinsicht von Niépce von St. Victor, Becquerel und anderen Forschern angestellt worden, und es ist auch gelungen, einzelne Farben zu erhalten; aber es ist nicht gelungen, sie festzuhalten, zu fixiren. Zwar kam einst die Nachricht aus Amerika, dass ein einfacher Geistlicher mitten in den Urwäldern das Problem gelöst habe, an dem die Gelehrten des Festlandes umsonst arbeiteten, aber das war eitel Lüge und Betrug, eine Yankeespekulation, nichts weiter. Ein Reverend, Namens Hill, dem seine pfäffischen Salbadereien nicht hinlänglich eintrugen, wusste sich aus der Photographie eine Goldgrube zu machen. Im Januar 1851 kündigte das "Photographische Journal" von New-York seinen staunenden Lesern an, dass Reverend Hill ein Mittel gefunden habe, die Bilder der Camera obscura in natürlichen Farben zu Photographiren. Dies erregte gewaltige Sensation. Hill benutzte die Stimmung und erliess ein Cirkular, worin er jedem Franko-Einsender von 5 Dollars (= 6 2/3 Thaler) ein Exemplar jenes Buches versprach, welches er über seine Methode veröffentlichen wollte. In wenigen Tagen sollen gegen 15,000 Dollars eingelaufen sein. Das Buch erschien, enthielt aber nichts Neues, doch wurde auf eine Fortsetzung vertröstet. Wenige Tage später brachte das "Photogr. Journal" einen Brief von Hill mit der niederschlagenden Nachricht, dass er bei seinen Studien erkrankt sei, übrigens bis auf das Gelb alle Farben wiedergeben könne. Sein Buch erlebte indessen eine zweite und dritte Auflage; der Enthusiasmus überstieg alle Begriffe; zahlreiche Besucher bestürmten das Haus des Reverend; ungeheure Summen wurden für sein Geheimniss geboten; man offerirte ihm für jede Lektion 50 Dollars. Aber Hill hielt seine Pforte verschlossen und gab eine neue Auflage seines Buches heraus. Darauf begab er sich in die Berge, um durch die reine Bergluft seine geschwächte Gesundheit herzustellen, und - war über alle Berge mit seinen 40,000 erschwindelten Dollars. Weder von ihm noch von seiner Entdeckung war mehr die Rede. In reellerer Absicht als Hill beschäftigte sich der französische Physiker Poitevin mit der Lösung des Problems der Wiedergabe von Naturfarben im Lichtbilde. Er theilte im Anfange des Jahres 1867 seine Erfahrungen und die Methoden, mit denen er erfolgreich gewesen war, ohne Rückhalt mit. Dr. Zenker in Berlin hat Poitevin's Angaben erprobt und so vervollständigt, dass er 1868 ein "Lehrbuch der Photochromie" veröffentlichen und mit einem Probedruck in natürlichen Farben begleiten konnte. Er erhielt diese Farben, die allerdings nur schwach angedeutet sind, indem er Rohpapier zuerst auf einer Kochsalzlösung (1 Th. Kochsalz, 10 Th. Wasser) zwei Minuten lang schwimmen liess und dasselbe nach dem Trocknen auf ein Silberbad brachte, von welchem es nach einer Minute abgehoben und dann durch vier bis fünf Schalen mit Spülwasser gezogen würde. Dem vierten und fünften Spülwasser setzt man einige Tropfen Zinnchlorürlösung zu, um violettes Silberchlorür zu erzeugen. Das so bereitete Papier wird nun über eine Lösung gezogen, die aus einem Drittel einer gesättigten Lösung von doppeltchromsaurem Kali und aus zwei Dritteln einer gesättigten Lösung von Kupfervitriol besteht. Noch etwas feucht, wird das so bereitete Blatt unter Originalbildern in Lackfarben so exponirt, dass die Lichtstrahlen eine Lösung von saurem schwefelsauren Chinin in einer Glasschale passiren müssen. Auswaschen in mehrmals erneutem lauwarmen Wasser fixirt das Bild, welches nun bei Lampenlicht und mässigem Tageslicht betrachtet werden kann, aber im Sonnenlichte in Grau übergeht.

Wenn aber auch die Photographie in Naturfarben vorläufig noch zu den ungelösten Aufgaben gehört, so berechtigt doch der ungemeine Aufschwung der photographischen Kunst, sowie der rasche Austausch aller Beobachtungen und Erfahrungen, welcher durch eine Menge von Zeitschriften gefördert wird, zu der begründeten Hoffnung, dass dies höchste Ziel endlich dem mühsamen Streben erreichbar werden muss. Wenigstens drängte sich dieser tröstende Gedanke dem Besucher der Weltausstellung von 1862 fast unwiderstehlich auf, wenn er an die letzte grosse photographische Ausstellung von 1851 dachte; denn vor ihm offenbarte sich ein Fortschritt, wie er wol kaum in der Geschichte der Wissenschaften seines Gleichen haben dürfte. Damals bildeten die Daguerreotypbilder mit ihrer spiegelnden Oberfläche und Umkehrung der natürlichen Verhältnisse die grosse Mehrzahl. Nur hier und da bemerkte man eine vereinzelte Talbotypie ohne scharfe Umrisse und ohne Tonabstufung, blossen Tuschschmierereien auf Papier nicht unähnlich. Als Andeutungen der besseren Zukunft zeigten sich einige gelungene Eiweissbilder auf Glas. Der Collodiumprozess lag noch in den Geburtswehen, Scott Archer arbeitete fortwährend an seiner Vollendung. Sein erstes Collodium sah wie Braunbier aus, und das erste Collodiumbild, das er im September 1850 mit Dr. Diamond aufnahm, eignete sich gerade nicht zur Ausstellung. Bald aber begann das Collodiumverfahren seinen stillen Siegeszug, verdrängte alle Nebenbuhler und hob die Photographie auf eine ungeahnte Höhe. Fast alle Bilder der letzten Ausstellung waren Resultate dieses Verfahrens, Resultate, welche ein beredtes Zeugniss geben, wie mit der Ausbildung des Negativverfahrens das positive Kopirverfahren gleichen Schritt hält.

Aber auch seit 1862 ist kein Stillstand eingetreten. Immer mehr hat sich das Gebiet der Photographie erweitert, und immer grösser wird der Kreis ihrer Verehrer, wie der Stein, ins Wasser geworfen, immer grössere Wellenkreise um sich zieht. Und mit der grössern Verbreitung geht die innere Ausbildung der Verfahren Hand in Hand. Die Dauer der Aufnahme hat sich bis auf einen kaum nennenswerthen Bruchtheil der Zeit verkürzt. Man photographirt jetzt das Schiff im Segeln, das Pferd im Sprunge, die Kugel im Fluge.

Die Photographie ist geblieben, was sie immer gewesen ist - eine schwarze Kunst.

Fig. 285. Joseph Niépce

Fig. 286. Gewöhnliche Camera obscura für photographische Zwecke

Fig. 287. Doppelobjektiv

Fig. 288. Stellung der Linsen

Fig. 289. Louis Daguerre

Fig. 290. Talbot

Fig. 291. Durchschnitt eines Glashauses für photographische Zwecke.

Fig. 292. Kassette

Fig. 293. Fizeau.

Fig. 294. Zurichtung des photographischen Papiers

Fig. 295. Aufgiessen des Collodiums

Fig. 296. Abgiessen des Collodiums

Fig. 297. Entwicklung des negativen Bildes

Fig. 298. Kopirrahmen

Fig. 297. Entwicklung des negativen Bildes

Fig. 298. Kopirrahmen

Fig. 299. Kopirrahmengestell

Fig. 300. Beobachtung der Entwicklung des positiven Bildes.

Fig. 301. Negatives Bild, von der nicht mit der empfindlichen Schicht bedeckten Seite gesehen

Fig. 302. Positives Bild

Fig. 303. Visitenkartenportraits, zugleich erzeugt

Fig. 304. Visitenkartenapparat mit mehreren Objektiven

Fig. 305. Kasten zur Aufbewahrung von Glasplatten

Fig. 306. Niépce von St. Victor.

Fig. 307. Der Erzengel Michael. Von dem Dürer'schen Holzschnitt nach der Loth'schen Methode auf Holz photographirt und geschnitten.

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