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#2641

Münchner Neueste Nachrichten, 01.05.1914

D' Annunzios langweiliger Film

Aus Rom wird uns geschrieben: Seit Monaten wird Italien mit einer ungemein zudringlichen Reklame zu Gunsten des ersten grossen Films beglückt, dessen Verfasser Gabriele D' Annunzio ist. Dieser Film heiss [heisst] Cabiria und nimmt sich vor, an der Hand der Geschichte einer von Piraten aus Sizilien nach Carthago entführten Angehörigen des römischen Reiches den ganzen zweiten punischen Krieg zu schildern, wozu der Komponist Hildebrand da Parma eine Begleitmusik geschrieben hat. Es war amüsant zu sehen, wie sich die Gemeinde D' Annunzios bemühte, in der italienischen Presse den Namen des Dichters in Einklang mit der Tatsache zu bringen, dass er um schnöden Geldgewinnes halber in die Reihe der Filmfabrikanten eingetreten sei. Man konnte das natürlich nur in der Weise tun, dass man darlegte, wie D' Annunzio durch seine Tätigkeit den Film zu etwas ganz anderem gestaltet habe, als er bisher gewesen sei, nämlich zu einem Symbol und andererseits auch wieder zu einer symbolischen Darstellung von tiefliegenden und tiefgründigen Seiten und Fragen des antiken Lebens. So wurde seit Wochen alles mögliche in diesen Film hineingeheimnist und die marktschreierische Reklame ging in Rom soweit, dass am Tage der ersten Aufführung im Teatro Costanzi eigens gemietete Flieger von zwei Flugzeugen Kundgebungen über Cabiria auf die Stadt warfen. Zum Glück hatte das römische Publikum wieder einmal seinen gesunden Sinn und seinen skeptisch kühlen Blick bewahrt. Obwohl man aus Mailand und Turin über die grossen Erfolge der dortigen Aufführungen lange Depeschen verbreitet hatte, blieb das Teatro Costanzi, in dem man sich unterfing, Preise zu nehmen wie bei einer Opernpremiere, zu dreiviertel Teilen leer und das erschienene Publikum stellte fest, dass die Cabiria deren Verführung von 9 1/2 bis 1/2 1 nach Mitternacht dauerte, von einer unerhörten Langweile war. Die Wirkung gewisser Pracht- [Prachteffekte] und Masseneffekte, wie der Ausbruch des Aetna, der Molochtempel in Carthago und die Verbrennung der Flotte durch den Brennspiegel des Archimedes war unleugbar, aber reichte nicht aus, um die Stimmung auf die Dauer von 3 1/2 Stunden zu retten. Wahrscheinlich wird daher dieser mit so grosser Reklame ins Werk gesetzte Cabiria-Film binnen kurzem erheblich gekürzt und in die grosse Anzahl bereitwillig harrender Kinematographen populären Gepräges übergehen, was die Anhänger D' Annunzios nicht hindern wird, bei seinem nächsten Film wieder von einer unerhörten Erneuerung und symbolischen Durchdringung der kinematographischen Kunst zu sprechen.

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