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#2122

Jahrbuch für Photographie und Reproduktionsverfahren, Halle, 1891, S. 321-327 mit 1 Abb

[Jahrbuch für Photographie und Reproduktionsverfahren, Halle ...]

Jahrbuch für Photographie und Reproduktionsverfahren, Halle 1891, S.321-327 mit 1 Abb.

Chronophotographie.

Der neue chronophotographische Apparat, mit welchem wir unsere Leser jetzt bekannt machen wollen, ist in der Werkstatt des Central-Laboratoriums der Marine nach den Anweisungen von Oberst Sebert ausgeführt worden. Es gehört dieser Apparat, der besonders zu ballistischen Versuchen bestimmt ist, zu der Classe der multiplen Apparate, und jede photographische Camera, die er enthält, soll eine der Phasen der beobachteten Erscheinung fixiren.

Die bei Instrumenten dieser Art auftretende grosse Schwierigkeit wird durch den Umstand verursacht, dass man im Stande sein muss, die verschiedenen Verschlüsse sehr rasch auszulösen, um die verschiedenen Negative zu einander gegenügend [!] naheliegenden Zeitpunkten zu gewinnen. Wenn bei den Apparaten von Muybridge und Anschütz dazu die Elektricität verwandt ist, deren Anwendung immer Schwierigkeiten macht, so ist bei diesem Apparat einer rein mechanischen Anordnung der Vorzug gegeben.

Der Apparat besteht der Hauptsache nach aus 6 Kammern, welche mit aplanatischen Objectiven ausgestattet sind, ferner aus 6 von den Kammern unabhängigen Verschlüssen und einem besonderen Auslöseapparat, der bestimmt ist, diese Verschlüsse nach einander in Bewegung zu setzen.

Die sechs Kammern sind zu einem regelmässigen Sechseck hinter einer verticalen Platte zusammengestellt, welche den Objectiven gegenüber Öffnungen aufweist (Fig. 77). Vor dieser Platte ist eine grosse Scheibe B befestigt, die in der Mitte ausgebaucht ist und sechs, den oben erwähnten Öffnungen entsprechende Löcher besitzt; auf dieser Scheibe sind die Verschlüsse angebracht. Jeder derselben hat zwei Paar Blätter, das eine zur Freilegung der Öffnung, das andere zum Bedecken derselben. Jeder Verschluss wird durch einen besonderen Hebel O gehalten. Die Hebel zum Öffnen und Schliessen sind symmetrisch auf beiden Seiten der Scheibe angebracht und befinden sich daher in zwei verschiedenen Ebenen. Wenn der Öffnungshebel eines der Verschlüsse gehoben wird, so öffnen sich die zwei Blätter unter dem Einfluss von starken Federn augenblicklich, und wenn man dann auf den anderen Hebel einwirkt, so schliesst sich das andere Blätterpaar ebenso rasch. In der Mitte der Scheibe, welche die Verschlüsse trägt, dreht sich eine feste Scheibe B, welche durch ein Gewicht und einen Regulatormotor eine gleichförmige Bewegung erhält. Auf dieser Scheibe sind die besonderen Vorrichtungen angebracht, welche in einem gegebenen Augenblicke auf die Hebel eines jeden Verschlusses einwirken.

Die Verschlussscheibe und ihr Mechanismus sind auf einem von dem übrigen unabhängigen Gerüst aufgestellt, so dass von denselben auf die Kammern keine Schwingungen übertragen werden. Die Verbindung zwischen den Objektiven und den Verschlüssen wird durch ein Band gebildet, welche aus einem biegsamen, lichtundurchlässigen Material hergestellt sind. Der Verschluss-Mechanismus wird ausserdem noch durch einen Kasten geschützt der nur die Öffnungen enthält, welche zum Durchgang der Lichtstrahlen nöthig sind (Fig 79).

Dieser Apparat, welcher im besonderen zu militärtechnischen Studien bestimmt ist, wird zur Aufnahme des Abfeuerns von Projectilen, die eine relativ langsame Bewegung haben, z. B. der automobilen Torpedos, dann des Rücklaufs der Geschütze, der Explosion stationärer Torpedos u.s.w. benutzt. Er ist daher mit einer besonderen Vorrichtung ausgestattet, welche es ermöglicht, die zu photographirende Erscheinung elektrisch zu controliren.

Dazu muss der Apparat in dem von der ihn handhabenden Person gewünschten Augenblick das Abfeuern und darauf nach einer im Voraus berechneten Zeit die Auslösung der Verschlüsse hinter einander in regelmässigen Zeitabschnitten für eine bekannte Zeitdauer veranlassen. Diese Resultate werden mittels verschiedener sinnreicher Vorrichtungen erhalten, welche am Umfang der beweglichen Scheibe angebracht sind (Fig. 78). Der Rand der letzteren ist in 100 gleiche Theile eingetheilt und am Nullpunkt der Eintheilung ist eine Vorrichtung fest angebracht, welche dazu bestimmt ist, die Öffnung der Verschlüsse zu veranlassen. Die beiden anderen Vorrichtungen sind verschiebbar, lassen sich dem ganzen Umfang der Scheibe entlang bewegen und an jedem beliebigen Theilstrich aufhalten. Der Schieber zum Abfeuern C bewegt sich in einer Richtung, welche der vom Nullpunkt sich entfernenden Bewegung der Scheibe entgegengesetzt ist. Je weiter er kommt, desto mehr Zeit verfliesst zwischen dem Abfeuern und der Öffnung des ersten Verschlusses.

Der andere Schieber E, welcher dazu bestimmt ist, die verschiedenen Schieber der Reihe nach zu schliessen, bewegt sich auf der anderen Seite des Nullpunktes, jedoch in der Richtung der Bewegung. Das Intervall zwischen den festen Vorrichtungen und diesem Schieber regulirt die Expositionsdauer bei den verschiedenen Verschlüssen. Andrerseits kann die Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe mittels eines Centrifugal-Regulators geregelt werden, so dass man alle möglichen Combinationen erzielen kann. Bei den Versuchen, deren Resultate im Folgenden wiedergegeben werden, machte die Scheibe 2 Umdrehungen in der Secunde, so dass jeder Theil der Landeintheilung 1/200 Secunde entsprach. Wenn der Schieber zum Abfeuern um 50 Abschnitte vor gestellt ist, so vergeht 50 x 1/200 d. h. 1/4 Secunde, ehe die erste photographische Aufnahme erfolgt. Ist andrerseits der schliessende Schieber um einen Theilabschnitt von dem festen entfernt, so ist die Expositionszeit 1/200 Secunde.

Die beiden eben beschriebenen Vorrichtungen wirken auf die Hebel der Verschlüsse durch Nadeln ein, welche im Ruhezustande sich nicht in den Ebenen der Hebel befinden und darum dann nicht auf dieselben wirken. Wir werden jedoch sogleich sehen, wie diese Vorrichtungen, indem sie in dem gewünschten Augenblick in die Ebene der Hebel gebracht werden, dieselben nach einander heben. Dazu wollen wir uns die Anwendung des Apparates vergegenwärtigen. Nachdem die Schieber richtig gestellt und die Verschlüsse gegeschlossen [!] sind, wird die centrale Scheibe in Bewegung gesetzt. Dieselbe erhält infolge der Wirkung des Gewichtes ihre richtige Geschwindigkeit erst allmählich, und erst wenn sie dieselbe erlangt hat, drückt der Experimentator auf den Gummiball, welcher die ganze Operationsreihe regelt. So lange der Druck noch nicht erfolgt ist, dreht sich die Scheibe ohne weitere Wirkung, da die Nadeln der Schieber sich nicht in den Ebenen der Hebel befinden; sobald jedoch der Experimentator auf den Knopf drückt, wird das Abfeuern durch die dieser Funktion dienenden Vorrichtung veranlasst, worauf die Nadeln der Schieber automatisch in die Ebene der beiden Hebelsysteme gebracht werden. Die Verschlüsse werden einer nach dem andern ausgelöst, und die photographischen Aufnahmen erfolgen. Sobald die letzte Aufnahme sich vollzogen hat, löst eine feste Vorrichtung die Nadeln aus, und der Apparat dreht sich wieder wie vor den Aufnahmen ohne irgend welche weitere Wirkung. Dieser Theil des Mechanismus ist sicher der bemerkenswerteste, jedoch zu complicirt, um ohne Abbildung hier erläutert zu werden; es genüge zu sagen, dass er das Problem auf höchst einfache und absolut sichere Art löst. Wenn der Apparat einmal richtig eingestellt ist, so folgen die Operationen einander in der oben beschriebenen Weise, ohne dass irgend ein Irrthum möglich wäre. Wir geben hier die Aufnahmen, welche beim Abfeuern eines automobilen Torpedos gemacht sind. Bekanntlich enthalten solche Torpedos, welche die Form eines Fisches haben, ausser der Ladung von Schiessbaumwolle noch einen Motor, welcher durch comprimirte Luft getrieben wird und eine Schraube in Bewegung setzt, wodurch das Geschoss, nachdem es ins Wasser gelangt ist, vorwärts getrieben wird. Diese Torpedos werden auf das feindliche Schiff mittels eines Rohres abgeschossen, aus dem sie etwa 60 Fuss weit geworfen werden. Ins Wasser gelangt, setzt der Torpedo seinen Weg infolge der Drehung der durch das Abschiessen in Thätigkeit gekommenen Schraube fort. Da die Kosten eines solchen Torpedos dieser Art ganz beträchtliche sind, ist es verständlich, dass es von Wichtigkeit ist, die Bedingungen, unter denen derselbe unter Wasser den richtigen Lauf nimmt, genau zu kennen. Es hat sich nun herausgestellt, dass dieser regelrechte Lauf des Torpedos nur unter ganz bestimmten Bedingungen beim Eintritt desselben in das Wasser erfolgt. Wenn der Torpedo beim Aufschlagen auf die Oberfläche des Wassers mehr oder weniger mit der Spitze nach unten geneigt ist, so wird die Regelmässigkeit seiner Bewegung im Wasser in Frage gestellt; fällt er dagegen flach auf das Wasser, so ist das Resultat ein ganz anderes.

Obgleich die Geschwindigkeit dieser Projectile keine sehr grosse ist, nämlich nur etwa 60 Fuss in der Secunde beträgt, ist es doch schwierig, mit dem Auge allein genau festzustellen, was im Augenblick des Abschiessens vor sich geht. Der eben beschriebene Apparat dagegen ermöglicht es, die Erscheinung mit der grössten Leichtigkeit im Einzelnen zu verfolgen und, was wichtiger ist, aufzuzeichnen.

In der vorderen Reihe der nach solchen Aufnahmen angefertigten Zeichnungen sehen wir, dass der abgefeuerte Torpedo, welcher die verschiedenen in seinem Wege aufgestellten Schirme nach einander durchbohrt, sich allmählich immer mehr mit der Spitze nach unten neigt; dieser Torpedo ist nicht richtig abgefeuert. Anders liegt die Sache bei dem Torpedo, dessen Lauf die zweite Reihe von Zeichnungen darstellt; dieser hält sich dauernd horizontal und bewegt sich mit sich selbst parallel bleibend vorwärts: unter diesen Umständen fällt er flach auf und geht deshalb normal und regelrecht auf das bestimmte Ziel los. Man sieht leicht ein, dass es von hohem Interesse ist, von diesen Versuchen, deren jeder doch nur einen Augenblick in Anspruch nimmt, Aufnahmen zu gewinnen, welche es ermöglichen, die Erscheinung mit Musse zu studiren und aus diesen Untersuchungen praktische Resultate zu ziehen.

Gegenwärtig sind wir dabei, einen chronophotographischen Apparat fertig zu stellen, der auf einem etwas abweichenden Princip fusst und zu medicinischen Untersuchungen dienen soll, welche wir an der Salpetriere anstellen. Wir hoffen in nicht allzu langer Zeit darüber weitere Mittheilungen machen zu können - Albert Londe in La Nature.

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