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#2070

Jahrbuch der Naturwissenschaften., 1891, /2 (VII), S. 19-20

[Jahrbuch der Naturwissenschaften. 1891/2 (VII), S. 19-20 Zwei ...]

Jahrbuch der Naturwissenschaften. 1891/2 (VII), S. 19-20

Zwei neue Erfindungen Edisons [Hier nur der Kinetograph]

Die Amerikaner verargen es ihrem grossen Erfinder, wenn er ein Jahr vorübergehen lässt, ohne ihnen etwas Neues zu bringen. Nun scheint es aber, als ob derselbe seinen Landsleuten im verflossenen Jahre thatsächlich diese Enttäuschung bereitet hat; dieselben mussten sich diesmal damit begnügen, zwei alte Erfindungen zu einer neuen vereinigt und eine alte in neue Form gekleidet zu sehen.

Zu der erstgenannten Art gehört der Kinetograph, ein Apparat, der sprechende Bilder liefert, der also zu gleicher Zeit die gesprochenen Worte und das Mienenspiel nebst den übrigen Bewegungen eines Redners wiedergiebt. Zur Wiedergabe der Worte dient ein Phonograph von so grosser Leistungsfähigkeit, dass er ein halbstündiges Sprechen in den Cylinder eingräbt, ohne sein Auswechseln zu verlangen. Die photographischen Aufnahmen sind sogen. Momentaufnahmen, sie erfolgen so rasch nacheinander, dass in einer Sekunde 46 Bilder hergestellt werden; dieselben entstehen hintereinander auf langen Celluloidstreifen oder Films, dünnen, durchscheinenden, ausserordentlich lichtempfindlichen Platten, die sich in der Camera vor der Objektivlinse vorüberschieben. Sind auf solche Art Worte und Bewegungen des Redners fixiert, so kommt als zweiter Teil der Aufgabe ihre Wiedergabe in genau derselben Gleichzeitigkeit, in welcher sie in Wirklichkeit stattgefunden haben, denn sonst würden die aus dem Schalltrichter des Phonographen an unser Ohr dringenden Worte zu der Stellung und dem Gesichtsausdruck nicht passen, die uns die aufeinanderfolgenden Bilder des Redners oder Sängers zeigen. Mit welchen technischen Hilfsmitteln Edison diese vollständige Gleichzeitigkeit erreicht hat, soll uns hier nicht weiter beschäftigen; nach unserem Gewährsmann im "Scientific American" ist sie eine so überraschende, dass die Bewegungen der Lippen des Redners genau mit seinen Worten übereinstimmen und so die Worte thatsächlich aus dem Bilde zu kommen scheinen. Es kommt hinzu, dass unser Auge zwischen dem Auftreten zweier nacheinander auf einen Schirm projizierten Momentbilder keine Lücke empfindet; die Einzelbilder reihen sich ebenso kontinuierlich aneinander, wie es bei dem in einem frühern Jahrgänge (1) beschriebenen Schnellseher (Elektrotachyskop) von Anschütz der Fall ist.

Der Apparat ist selbstverständlich für die demnächstige Weltausstellung in Chicago bestimmt. Weite Verbreitung kann er schon wegen seiner jedenfalls sehr bedeutenden Herstellungskosten nicht erlangen; dagegen wird er vortrefflich geeignet sein, den bisher unerfüllbaren Wunsch vieler Redner und Schauspieler zu verwirklichen: sich selbst sprechen zu hören und zu sehen.

Wenn es sich im Kinetographen um einen Apparat handelt, der auf realer Grundlage thatsächlich hergestellt worden ist, so ist das kosmische Telephon, die zweite "Erfindung" Edisons, [...]

(1) Jahrbuch 1887/88, S. 24.

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