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Hamburger Fremden-Blatt, 19.09.1913
Cleopatra in Hamburg
Natürlich im Kino, wo sonst. Das Waterloo-Theater hat heute vormittag einer Anzahl von geladenen Gästen den neuesten Film der Cines-Gesellschaft in Berlin vorgeführt, "Cleopatra, die Herrin des Nils". Filmtechnisch eine Leitung, die uneingeschränkte Anerkennung verdient. Der Lichtbild-Techniker und der Regisseur haben hier Szenen geschaffen, deren dramatischer und bildmässiger Eindruck nicht leicht zu Übertreffen sein wird. Vor allen andern Aufnahmen des kilometerlangen Bandes sind die Episoden von der Landung und dem nächtlichen Zuge der Römer an der ägyptischen Küste meisterlich gelungen - technisch geschulte Beschauer mögen vielleicht sekundenlang von den kleinen Lichthöfen gestört werden, die bei der Erzielung von "Mondscheinstimmung", bei so scharfen Gegenlichtaufnahmen, schwer oder kaum zu vermeiden sind. Prächtige Regieleistungen sind auch die Kämpfe zu Schiff und zu Lande und die pomphaften Umzüge. Dass bei der Gestaltung der Handlungen der Historie ein wenig Gewalt angetan wurde, schmerzt heute, nach zwei Jahrtausenden, nicht allzu sehr; es ist dafür ein dramatisches Bild entstanden, dass sich, abgesehen von Kleinigkeiten, freihält von Sentimentalität und krassen Szenen, zum Ärger der Kinofeinde, zur Freude der Kinoanhänger.
Eine Frage drängt sich allerdings auch beim Anschauen dieses prächtigen Filmwerks auf, eine Frage, die freilich die Anerkennung der hier gebotenen mimischen, szenischen und technischen Leistungen nicht berührt: Sind diese Zweistundendramen, diese programmfüllenden Historienbilder, das, womit dem Kinopublikum in seiner Masse gedient ist? Unbestritten ist hier edlere und reinere Kunst als in den mit Recht getadelten Schund- [Schundfilms] und Kolportagefilms, die früher Attraktionen waren. Aber der Sieg des Varietés über das Theater könnte den Lichtspielleitern vielleicht eine Lehre sein; ob eine einzige, detailreiche, aber doch nur ein Thema bildende Darbietung oder ob ein bunter Wechsel von verschiedenen Nummern ein anregenderes Programm darstellt, scheint zum mindesten fraglich. Dass die Kinokunst Schönes und Gutes zu schaffen vermag, hat der "Cleopatra"-Film von neuem bestätigt; statt eines einzigen überlangen zwei kürzere, gleichwertige Bilder wird sie ohne Zweifel nicht minder willig leisten. Die Rechnung ist einfach: die gleiche Meterzahl Filmband erfreut die doppelte Zahl von Zuschauern, gibt zum mindesten das Doppelte an Eindrücken und Anregungen.
Wie uns noch mitgeteilt wird, hat das Barkhof-Theater den Cines-Film "Herrin des Nils, Cleopatra" zum alleinigen Erstaufführungsrecht für Hamburg-Altona erworben. Er wird hier vom 3. Oktober ab zur Vorführung gelangen.
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Verhängnisvolle Filmaufnahme
Aus Klausenburg meldet man: Eine Filmgesellschaft liess eine Filmaufnahme von einem ungarischen Volksstück machen, in dem bei einer Überfahrt über einen Fluss das Umkippen des Bootes vorgeschrieben ist. Die Szene wurde in Gegenwart von vielen Tausenden von Zuschauern vor der Mühlenschleuse des Szamosflusses ausgeführt. Plötzlich wurden die aus dem umgestürzten Boot ins Wasser gefallenen zehn Schauspieler gegen die Mühlenräder geschleudert. Beherzte Zuschauer sprangen hinzu und retteten alle. Mehrere sind schwerverletzt worden. Eine Schauspielerin ist gestorben.

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