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#1175

Das freie Wort, December 1909, Jg. 9, Nr. 17, S. 668-673

Victor Noak
Die soziale Bedeutung des Kinematographen

Der Triumphzug des Kinematograph-Theaters durch die Masse seiner Anhänger gleicht bis heute einer Orgie der Geschmacklosigkeit. Grellfarbige, blutrünstige Plakate künden den Weg, den der Kino gewandert ist. Eine geistige Volksvergiftung grossen Stils. Die Filmfabrikanten und Theaterunternehmer haben dadurch, dass sie sich zuerst und sofort an die niedrigsten Instinkte der Masse gewandt haben, nicht nur am Volk ungeheuer gesündigt, sondern gleichzeitig auch eine geniale Erfindung schwer geschädigt, die zu den höchsten Aufgaben berufen ist. (1)

Trotzdem hat der Kinematograph, um den Forderungen der erhitzten Phantasie der Volksmasse zu willfahren, in verhältnismässig kurzer Zeit eine gewaltige, vielverzweigte Industrie geschaffen und Tausenden von Menschen eine Existenz gespendet.

Einer der wichtigsten Zweige der "Kino-Industrie" - wenn nicht der wichtigste - ist die Filmfabrikation. Sie hat von Paris aus ihren Weg über Europa gefunden und beschäftigt heute ein Heer von Schauspielern, Artisten, Bühnenarbeitern, Photographen, [Büropersonal] Büro- und kaufmännischem Personal. Die Fabrikation der eigentlichen Projektionsapparate gibt Tausenden von Elektrotechnikern, Monteuren, Operateuren und in der Fabrikation von photographischen Bedarfsartikeln, von optischen Instrumenten etc. Beschäftigten Arbeit und Brot. Welche Bedeutung für die Elektroindustrie besitzt allein die Herstellung der für den Betrieb von Kinematograph-Theatern notwendigen Elektromotoren, Dynamos, Sichtanlagen, Phonographen, Grammophonen etc.! Wieviele Musiker verdienen sich ihr kümmerlich Brot durch phonographische Aufnahmen! Für die Vorführungen im Kino selbst werden noch die wenigsten Arbeitskräfte beansprucht; dennoch spielen die Kinematographen-Theater auf dem Arbeitsmarkte der Musiker, Pianisten und der "Erklärer" - eine durch den Kinematographen ins Leben gerufene Berufsgattung - eine gewichtige Rolle.

Wir haben hiermit nur angedeutet, was der Kinematograph in der Volkswirtschaft bereits gilt. Statistische Erhebungen in der Richtung würden überraschende Resultate zeitigen. Wir möchten hier hauptsächlich die Bedeutung der Kinematograph-Theater für die geistige Entwickelung der unteren Volksklassen erfassen. Welchen Einfluss die Erfindung des Kinematographen durch die skrupellos beflissene industrielle Ausbeutung auf das geistige Leben der Masse in der relativ noch kurzen Zeit ihres Mode-Daseins ausgeübt hat, das lässt sich bei der unendlichen Verschiedenheit und dem unentwirrbaren Durcheinander von Imponderabilien, die in ihrer Gesamtheit, in ihrem flüssigen Aggregat, den Grad von geistiger, ethischer Höhe, resp. Verkommenheit fast so schwankend wie das Wetter die Quecksilbersäule des Thermometers beeinflussen, nur andeuten. Der Beweis psychischer Zustände, Veränderungen, Beeinflussungen kann auch bei dem heutigen Stand wissenschaftlicher Forschungen nur auf Hypothesen einherstelzen. Allerdings haben wir eine Fülle von Beispielen aus der Strafrechtspflege, wo notorisch Kinematographen jugendliche Verbrecher gezüchtet haben. Fast durchweg waren "verwegene Verbrechen", Strassenraub etc. die Blüten dieser Kultur. Das Beispiel wirkt ansteckend, oft hinreissend. Es kommt nun darauf an, wozu einer prädisponiert ist. Gut veranlagte Kinder wird das von Edelmut, von Güte und Selbstverleugnung triefende Bild im Kino zu Nachahmung anfeuern, das Bestialische wird sie abschrecken. Anders Veranlagte wird die Gemeinheit, die Verschlagenheit, das tollkühne Böse und Wilde, das Verwegene, mit prickelndem Verlangen erfüllen, böse Hänge herauslocken. Man glaube nur nicht, dass Prädisposition zum Verbrechen nur ausnahmsweise bei Kindern "anständiger" Eltern anzutreffen sei! Die dauernde Vorführung von Bildern, die Verbrechen schildern, in Kinematograph-Theatern bedeutet eine anhaltende Bedrohung des Gemeinwesens. Der Staat hat das erkannt und hie und da seine Massnahmen zum Schutze der Gesellschaft ergriffen. Es wird nicht überraschen, dass eine der ersten Anregungen dazu aus dem Lager der "Schwarzen" gegeben worden ist.

Im "Osservatore Romano", dem offiziösen Organe des Vatikans, war folgender Erlass des Kardinalvikars zu lesen.

"Eine der hauptsächlichsten Sorgen unseres Amtes ist die, darüber zu wachen, dass sich nicht im Klerus Gewohnheiten einschleichen, die der Heiligkeit und der Würde des priesterlichen Standes Abbruch tun. Da uns zu Ohren gekommen ist, dass sowohl dem Welt- wie dem Ordensklerus angehörende Geistliche die öffentlichen Kinematograph-Vorstellungen besuchen, wo nicht selten Religion und Moral in den Schmutz gezogen werden, hielten wir es für unsere Pflicht, den Heiligen Vater hiervon zu benachrichtigen und ihn zu bitten, die nötigen Schritte tun zu wollen, damit solchen missliebigen Übertretungen gesteuert werde. Wir verbieten hiermit im Namen des Heiligen Vaters und Kraft seiner uns zu diesem Zweck verliehenen Vollmacht, indem wir gleichzeitig dem Klerus die Verpflichtung ins Gedächtnis zurückrufen, die öffentlichen Theater nicht zu besuchen, dass Geistliche des einen und anderen Klerus den Schaustellungen in den öffentlichen Kinematographen Roms beiwohnen. Auf ausdrücklichen Wunsch des Heiligen Vaters wird bestimmt, dass gegen Priester des einen und andern Klerus, die etwa, was Gott verhüten wolle diese Verfügung nicht beachten würden, mit den kanonischen Strafen - einschliesslich die Suspendierung a divinis - verfahren wird.

Der Erlass des Kardinalvikars erstreckt sich selbstverständlich auf die gesamte römisch-katholische Geistlichkeit. Es kann nun nicht Verwunderung erregen, dass gerade der "Katholische Lehrerverband des Deutschen Reiches" mit zuerst eine Eingabe an die zuständigen Ministerien der Deutschen Bundesstaaten richtete, worin gebeten wurden "1. Die Schule erneut anzuweisen, mit der grössten Wachsamkeit auf die Gefahren zu achten, die der Jugend durch den Schmutz in Wort und Bild immer mehr drohen; 2. die Schule zu ermächtigen, den Schülern das Betreten solcher Geschäfte zu verbieten, wo sie sittlichen Gefahren in besonderer Weise ausgesetzt sind; 3. das Verteilen von Reklamezetteln und Flugschriften durch die Schulkinder von der ausdrücklichen Genehmigung der Schule abhängig zu machen; 4. zu veranlassen, dass Schulkindern und jugendlichen Personen der Besuch der Kinematographen nur in Begleitung erwachsener Angehörigen gestattet werde.

Man spürt den Leisetritt der Jesuiten - vielleicht ist 's auch Einbildung. Jedenfalls, solange die Schule ein Instrument der Kirche ist, kann man eine derartige Eingabe eines katholischen Lehrerverbandes nicht mit unterschreiben, auch nicht, wenn sie scheinbar mit den Bestrebungen unverdächtiger Leute konform ist. Gerade die vierte Forderung der Eingabe ist etwas Halbes nur. Wenn auch auf diese Weise die alltäglichen Attentate von Wüstlingen auf Kinder im Dunkel der Kinematograph-Theater sehr erschwert werden, und auch die Unsitte eingeschränkt würde, dass Kinder ganze Nachmittage in der ungesunden Luft und Finsternis solch eines Theaters hocken, so trauen wir doch den erwachsenen Angehörigen, Brüdern, Schwestern oder Dienstboten nicht genug Charakterfestigkeit zu, dass sie, wenn ein kitzliches Bild an die Reihe kommen sollte, schleunigst mit ihrem Schützling das Theater verlassen könnten. Das lässt sich auch bei der Anordnung der Sitzplätze in diesen Theatern nicht immer bewerkstelligen. Die kitzliche Pointe kommt meist überraschend. Das Publikum würde opponieren, wenn gerade im spannendsten Moment jemand in irgend einer Sitzreihe aufspringen und mit einem oder etlichen Kindern vor den Augen der Zuschauenden hinausstolpern wollte. - Verschiedene Ministerien haben dem Katholischen Lehrerverbande geantwortet. Das Köngl. [Königl.] Sächsische Ministerium des Innern liess sich dabei über die Wege, die der Polizeibehörde in Sachsen schon jetzt offen stehen, folgendermassen aus:

  1. Am sichersten werden anstössige Bilder fern gehalten, wenn die Polizeibehörde sämtliche Films vor ihrer Vorführung prüft und die Darbietungen ungeprüfter oder bei der Prüfung beanstandeter Bilder verbietet. Gewisse Gattungen von Bildern (z.B. geographische, landschaftliche, ethnographische, technische usw.) könnten ohne vorhergegangene Prüfung zugelassen werden. Eine ausreichende Überwachung der Vorführungen bleibt dabei erforderlich. 2. Durch Polizeiverordnung kann jede Art öffentlicher Ankündigung, die schlüpfrige Darstellung in Aussicht stellt (z. B. Nur für Herren!) untersagt werden. Handelt es sich um einen Gewerbebetrieb im Umherziehen - und dies wird auf dem Lande meist der Fall sein -, so bietet auch § 60a der Gewerbeordnung eine Handhabe, anstössigen Darbietungen vorzubeugen. Eine strenge Handhabung der Vorschrift in § 57 Ziffer 5 der Gewerbeordnung bei Prüfung der Gesuche um Erteilung oder Ausdehnung von Wandergewerbescheinen kann nebenher gehen. Im übrigen werden möglichst sorgfältige Überwachung der Kinematographentheater, unvermutete Bilderprüfungen in Verdachtsfällen und strenges Einschreiten gegen etwaige anstössige Darbietungen - gegebenenfalls unnachsichtliche gerichtliche Bestrafung - dazu beitragen, eine Besserung der beklagten Verhältnisse zu erreichen; 3. Nach den gemachten Erfahrungen kann das Ministerium des Innern den Polizeibehörden anheimgeben, den Veranstaltern öffentlicher kinematographischer Schaustellungen durch Polizeiverordnung die Zulassung von Kindern unter 14 Jahren in andern als in "Kindervorstellungen" - (die als solche ausdrücklich durch Plakate anzukündigen sind und etwa 7 Uhr abends beendet sein müssen) - zu untersagen und die Vorführung von für die "Kindervorstellung

ungeeignet erscheinenden Bildern zu verbieten. Für die Kindervorstellungen ist eine vorsorgliche Bilderprüfung besonders geboten.

Für den Regierungsbezirk Schleswig ist eine Polizeiverordnung erlassen, wodurch Kindern unter 15 Jahren der Zutritt zu Bildern verboten werden kann, von denen ein schädlicher Einfluss auf sie zu befürchten steht. Mindestens 24 Stunden vor Beginn der Vorführung muss der Ortspolizei ein Verzeichnis der vorzuführenden Bilder eingereicht werden.

Die anhaltische Regierung verbot durch Landespolizeiverordnung allen Personen unter 16 Jahren ohne Begleitung Erwachsener den Besuch von Kinematograph-Theatern.

Wir haben oben bereits gesagt, was u. E. von diesen Präventivmitteln zu erwarten ist.

Wie immer, wo der Staat vor die Ausgabe künstlerischer Erziehung der Volksmasse gestellt ist, so erweisen sich auch in dem Falle seine Organe als unfähig. Der Staat muss erst noch eine Instanz schaffen, die imstande ist auf dem Gebiet Volkskunst, wohinein ich alle volkstümlichen Veranstaltungen, wie Tingeltangel, Varieté, Bierkonzert, Kinematograph-Theater, verlege, - mit künstlerischem und zugleich sozialem, volkspädagogischem Verständnis Ordnung zu schaffen, zu regeln und zu fördern. Unsere Polizei kann unmöglich als eine Zensurbehörde der "Volkskunst" respektiert werden. Sie ist nicht qualifiziert zu entscheiden, was der ästhetischen und sittlichen Bildung des Volkes dienlich sei, und was die gute Geschmacksbildung bedrohe. Der Geist der preussischen Militäranwärter haust in diesem Revier wie ein Poltergeist. Das Zensorenamt für die Volkskunst muss einer Korporation anvertraut werden, die gebildet ist von den besten und ideal gesinnten unserer modernen Künstler. Das Objekt "Volkskunst" ist solcher Zensoren wert, denn tatsächlich sind die Volkskunst-Institute wie Tingeltangel, Varietés und Kinematographen die einzigen Quellen, woraus die Millionen unseres Volkes, die breiten Massen Proletariat ihre künstlerischen Anregungen schöpfen. Es handelt sich hier speziell um die Kinematograph-Theater. Wie ungeheuer gross der Einfluss des Kino auf die Masse ist, beweist eine Statistik des Magistrats der Stadt Wien. Der Wiener Magistrat stellt danach fest, dass am 1. April 1908 in Wien bei einer Bevölkerungszahl von 2 050 000 Einwohnern, 76 Kinematograph-Theater bestanden, wovon 62 jeden Tag in Betrieb waren und 14 entweder nicht täglich Vorstellungen veranstalten oder nur als Nebenzweck, etwa in Varietés und im wissenschaftlichen Uraniatheater, Kinematographien vorführten. Die regulären Theater für lebende Bilder hatten insgesamt einen Fassungsraum für 11616 Personen. In den Theatern, die nicht ausschliesslich und nicht regelmässig der Kinematographie dienten, waren 8502 Plätze vorhanden. Zusammen bieten daher die 74 Wiener Unternehmungen Raum für 20118 Menschen, also mehr Platz als die gewöhnlichen Theater. Nach Angabe der Wiener Polizei hatten die regulären Kinos in Wien einen Fassungsraum an Personen: bis 100 3 Betriebe, von 100-200 Personen 29, 200-300 12, 300-400 3, 400-500 3, 500-600 1, 700-800 ebenfalls 1 Betrieb. Als die grössten Räume in Wien, wo kinematographische Vorstellungen abgehalten werden, gelten: der Zirkus Schumann im 15. Bezirk, der 1900 Personen fasst, der Sophiensaal, wo ebensoviele Platz finden und der Saal des Arbeiterheims im 16. Bezirk, wo zweimal wöchentlich vor 1350 Personen Vorstellungen abgehalten werden. Die Statistik des Wiener Magistrats gibt ziffernmässig an, wie sich die Kinos auf die einzelnen Bezirke verteilen. Daraus ist ersichtlich, dass sie in den Bezirken der ärmeren Bevölkerung am häufigsten anzutreffen sind. An erster Stelle steht der 2. Bezirk; dort befindet sich der Prater. Der 18. Bezirk hat, obwohl er mehr als 100 000 Bewohner umfasst, die wenigsten Kinos. Dort wohnen überwiegend wohlhabende Leute. Nach den Berechnungen des Magistrats besuchen pro Jahr 8 363 520 Personen allein die regulären Kinematograph-Theater, 858 000 die irregulären, und 355 040 die in den vielen Vergnügungslokalen des Praters stattfindenden kinematographischen Vorstellungen. Es sind also insgesamt 9 586 500, rund 10 Millionen Menschen, zu denen allein in Wien innerhalb eines Jahres der Kinematograph spricht.

Ausfallend stark ist der Kinematograph im Königreich Sachsen verbreitet. Wollte der Rat der Stadt Dresden, dem Beispiele Wiens folgend, gleichfalls statistische Erhebungen über den Umfang des Kinematograph-Wesens anstellen, so würde er gewiss eine prozentual noch stärkere Frequenz der Kino konstatieren.

Ganz besonders bedauerlich ist, dass Berlin eine derartige Untersuchung noch nicht vorgenommen hat.

Der Kinematograph nimmt in der "Volkskunst" (Tingeltangel Varieté, Kabarett etc.) als [Massen-Bildungsmittel] Massen-Bildungs- und Erziehungsmittel eine hervorragend wichtige Position ein, weil er erstens billig ist (kein Trinkzwang und durchschnittlich 30 Pfg. (2) Eintrittskosten), zweitens dem einfachen Proletarier den zwanglosesten Aufenthalt gewährt, drittens in der Wahl seiner Sujets fast unbegrenzt ist. Der Spielraum kinematographischer Darstellungsmöglichkeiten kennt tatsächlich kaum irgend welche Grenzen (Mikro-Kinematographie, Röntgen-Kinematographie). Man werde sich doch nur klar darüber, welche Rolle der Kinematograph als Volksbildungsmittel zu spielen berufen ist. Freilich, solange die Kinematograph-Theater Leuten gehören und von ihnen geleitet werden, die, oft aus der Hefe des Volkes aufgetaucht, keinen Schimmer von irgend welcher Bildung, geschweige denn künstlerisches Verständnis und Ideale besitzen und mit der gleichen Skrupellosigkeit wie der Schnapsbudenbesitzer seinen Fusel, ihr Gift in Wort und Bild verzapfen, solange wird der Kinematograph in dem Masse, wie er heute der flüchtigen, sinnlosen und oft verderblichen Unterhaltung der Massen dient, der ästhetischen und sittlichen Entwicklung des Volkes nicht dienstbar gemacht werden können, denn eine dahin zielende und an das Ziel heranlangende Reform, ist nicht durch Polizei-Verordnungen (wie oben) zu erreichen, sondern muss von den Veranstaltern kinematographischer Theater selbst ausgehen. Dem bösen Willen oder auch dem Unverstand dieser Leute gegenüber ist die Polizei machtlos; machtlos insofern, als sie nicht erreichen kann, was sie beabsichtigt. Sie könnte natürlich mit brutalen Massregeln das ganze, ausblühende Gewerbe einfach totdrücken. Das liegt aber gewiss nicht in ihrer Absicht. Vor dem Unverstand der Kino-Besitzer würden aber auch die schönsten Bestrebungen der idealen Zensurbehörde (siehe oben) wirkungslos verpuffen. Die Zote und das Grausige könnten schliesslich von der Polizeigewalt aus den Programmen getilgt werden. Es fragt sich, ob die an ihre Stelle tretende Fadheit wünschenswerter ist. Nein, die erstrebte Reform muss aus dem Herzen der Projektionskunst-Industrie erwachsen, muss wurzeln in der Filmfabrikation selbst. Dort müssen echte, moderne Künstler ans Werk treten, Künstler, die die Volksseele kennen. Darauf kommt 's ganz besonders an. Volkskunst heisst es zu schaffen

Schon sehen wir es morgenleuchten! Der aus dem Gebiete der Projektionskunst in Dresden gegründete Fachverein "Bild und Wort

veröffentlicht in Nr. 135 des Düsseldorfer "Kinematograph" (28. Juli 09) einen Programm-Artikel, woraus ersichtlich ist, dass Ähnliches, wie wir 's erstreben, bereits schwebt. Nach den Mitteilungen a. g. O. arbeiten Kinematograph-Operateure, Professoren, Künstler, Menschen aller politischen und konfessionellen Anschauungen, Männer und Frauen, im Geschäftsausschusse des betr. Vereins [nebeneinander] neben- und miteinander; im "Arbeitsrate" des Vereins wirken Vertreter von Behörden, Leiter von Dresdener Kunstinstituten, Gelehrte, Schriftsteller jeder Art und Richtung gemeinsam mit Leitern der Gewerkschaften und Volksbildungsvereine - wie es a. g. O. heisst: "zum Losmarschieren vereint mit der Geschäftswelt auf das grosse Ziel: der Kinematographie (zusammen mit Lichtbild, Grammophon und Verwandtem) die ihr als gewaltigem Volksbildungsfaktor gebührende Wirksamkeit zu erobern".

Hoffentlich ist sich der Verein "Bild und Wort" über die Schwierigkeiten, die sich seinen schönen Absichten entgegentürmen, im Klaren. Auf dem Wege zum gedachten Ziele wimmelt es von allen möglichen Dunkelmännern; hinter Ecken und Gebüschen lauert die vielgestaltige Reaktion. Dass man ihren Fallstricken entgehe und sich überhaupt von keiner "Tendenz" beherrschen lasse, sondern mit künstlerischer Ehrlichkeit dem Schönen allein diene, darin wird die Vollkommenheit der Reform gipfeln.

(1) Der Erfinder des Kinematographen soll nicht Edison sein, sondern ein in dem englischen Seebade Brighton wohnender William Friese-Greene, der sich erst jetzt entschlossen hat, seine Erfinderrechte geltend zu machen. Er hat einer Anzahl von Fabrikanten kinematographischer Apparate und Films mitgeteilt, dass sie sich durch den Vertrieb bei betreffenden Artikel einer Patentverletzung schuldig machen. Falls die Firmen sich mit ihm nicht über die Höhe einer Lizenzabgabe einigen, wird der Erfinder Klage erheben. Der "Kinematograph", das in Düsseldorf erscheinende "Organ für die gesamte Projektionskunst" schreibt dazu, die Zahl der Patente von Friese-Greene sei Legion.

(2) Die Eintrittspreise sind in letzter Zeit erhöht worden bis zu 50 Pfg. für den schlechtesten Platz.

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