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#5011

Der Tag, 15.03.1914

Neues vom Film

Im Union-Palast am Kurfürstendamm hob man das jüngste Kinokind der Artur Landsbergerschen Muse aus der Taufe: "Die Perle", ein Filmstück in vier Akten, das ebensogut den Namen "Sekt und Pfirsich-Melba" verdient hätte, denn diese beiden Nahrungsmittel sind die furchtbaren Ursachen für allerhand lachmuskelnervenerregende Wirkungen. Ein besserer älterer Herr aus der Provinz will sich Berlin ansehen, d. h. er geht in ein Komödienhaus, wo ihn jedoch das Spiel auf der Bühne recht wenig, um so mehr aber das Vis-à-Vis in der Loge fesselt. Als die Dame das Theater verlässt, folgt er ihr; in einem Ballokal geniesst dann das Paar die obenerwähnten Erfrischungen, und im Anschluss daran kommt es zu allen möglichen Verwechslungen, die grosse Heiterkeit verursachen. Hedda Vernon, Paulmüller und Fritz Spira tun das ihre, um den Humor des von Max Mack gewandt inszenierten Films zu bester Wirkung zu bringen. - In den U.-T.-Lichtspielen Unter den Linden bringt das Repertoire in dieser Woche u. a. die gewaltige Dantesche Komödie. Der Hallenbesuch Dantes in Begleitung seines Führers Virgils entrollt eine Reihe grossartiger Filmbilder, alle Schrecken der Unterwelt werden lebendig, der grimme Zerberus fleischt seine Mäuler, die Seelen der Abgeschiedenen warten im Vorhof des Richters, der Strafvollzug findet in flammendurchglühten Gräbern statt. Die Naturschilderungen, die den Rahmen des grossen Dramas bilden, sind von ergreifender Schönheit.

Das neue Programm der Cines-Lichtspiele am Nollendorfplatz enthält in der Hauptsache den dreiaktigen Film "Der goldene Skarabäus", eine "Verfolgung durch drei Weltteile". Der junge Herzog von Surry befindet sich in Indien in harter Gefangenschaft, und kein Fremder weiss seinen Aufenthalt. Endlich durch Vermittlung eines Adlers, dem er einen mit seinem eigenen Blut beschriebenen Leinwandfetzen an die Schwingen geheftet hatte, aus dem Gefängnis entkommen, wird er von Mitgliedern des Bundes des goldenen Skarabäus, einer Verbrechergesellschaft, in einen Turm gesperrt, aus dem er jedoch nach vielen vergeblichen Anstrengungen wiederum erlöst wird. Die Flucht wird entdeckt, und nun entsteht eine aufregende Jagd zwischen den Verfolgern und den Flüchtlingen. Nach vielen Abenteuern gelingt es dem Herzog und seinem Befreier, auf das Meer zu entkommen und sich an die afrikanische Küste zu reiten. Noch stellen sich den Freunden tausenderlei Hindernisse in den Weg, die aber mit dem Mut der Verzweiflung überwältigt werden, bis schliesslich beide England erreichen, wo nach ihrem Eintreffen einer der vorerwähnten Verbrecher entlarvt wird, der sich fälschlich für den Herzog ausgegeben hatte. Das Publikum nahm das an Zwischenfällen reiche Stück, dem es an spannender Wirkung nicht fehlt, mit starkem Beifall auf.

Die Kammer-Lichtspiele an der Tauentzienstrasse bringen in ihrem neuen Programm einen spannenden Film: "Die mysteriöse Villa", der von den gefährlichen Abenteuern eines natürlich unfehlbaren Detektivs handelt. Dieser Kollege des Sherlock Holmes hat die Aufgabe, die Entführer einer jungen Dame zu finden, und man erlebt die Phasen seines schwierigen Unternehmens von Anfang bis zum Ende, d. h. von dem einzigen vorhandenen Fund, einem Haar, bis zur Fesselung der Täter. Die Hauptrolle spielt der Verfasser des Films, Ernst Reicher, der Sohn Emanuel Reichers, temperamentvoll und mit jener selbstverständlichen Überlegenheit, ohne die man nach der Lektüre zahlloser Kriminalromane sich einen Detektiv nicht mehr vorstellen kann.

In den Biophon-Theater-Lichtspielen wird der Schnitzler-Film "Liebelei

fortgesetzt gegeben. Neben dem Werk selbst gefällt namentlich das vortreffliche Spiel des Kinodarstellers W. Psilander. Das übrige Programm erzielt u. a. mit dem lustigen Film "Das Bahnhofshotel" einen grossen Lacherfolg.

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