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#1779

Hamburger Fremden-Blatt, 21.09.1914, (2 x)

[Hamburger Fremden-Blatt 21.09.1914 (2 x) Eine Kriegs-Allegorie ...]

Hamburger Fremden-Blatt 21.09.1914 (2 x)

Eine Kriegs-Allegorie im Film

Die Harvestehuder Lichtspiele und das Waterloo-Theater sind gestern in ihrem neuen Wochenspielplan mit einer reizenden Kriegs-Allegorie, genannt "Michels eiserne Faust" auf den Plan getreten. Die Hauptspieler sind Leo Peukert und Mizzi Parla. Der deutsche Michel wird als friedsamer Landmann dargestellt, der seinen Kohl baut und mit den Nachbarn in Frieden lebt. Aber Tom Atkins, der russische Bär und die leichtsinnige Marianne schauen ihm neidisch über den Zaun und schmieden den Plan, ihm sein Besitztum wegzunehmen. Die einzige Freundin Michels ist das hübsche Fräulein Austria. Die Neckereien seiner eigenen drei Feinde erträgt Michel mit unerschütterlicher Ruhe mit Verachtung, als aber der serbische Knirps mit Austria anbindet, reisst ihm der Geduldsfaden. Sehr wirkungsvoll und technisch geschickt ist es dargestellt, wie die Feinde in Michels Haus eindringen und wie der deutsche Michel, der mit seiner Zipfelmütze zu Bett gegangen war, sich plötzlich in feldmarschmässiger Ausrüstung aus demselben Bett erhebt und die Feinde, nachdem er sie "gedroschen", hinauswirft. Die Neuheit fand den verdienten grossen Beifall.

Als Hauptstück wurde der bekannte, grosse, vaterländische Film "Bismarck" aufgeführt, der jetzt wahrlich am Platz ist und vielen ein Mittel zur inneren Erhebung bringen kann. Der Spielplan wurde durch den zweiten Teil der Kriegsberichterstattung und einige andere gute Vorführungen vervollständigt.

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Die vorstehend geschilderte Kriegs-Allegorie "Michels eiserne Faust

gelangte gestern auch im "Bahnhof-Theater" im Bieberhaus zur ersten Aufführung. Auch hier fanden die hübschen, geschickt dargestellten Bilder in ihrer reichen Abwechslung, starken Beifall. Im übrigen berücksichtigt der Spielplan ausgiebig die Ereignisse unserer Zeit durch Vorführung der neuesten Bilder vom Kriegsschauplatz, durch vaterländisch oder kriegerisch gehaltene Stücke, zu denen einige Films unterhaltender oder belehrender Art eine willkommene Abwechslung bilden.

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Ph. B.

Wohltätigkeitsvorstellung im Havestehuder Lichtspielhaus

Am Sonntag mittag fand in den Harvestehuder Lichtspielen eine Wohltätigkeitsvorstellung statt, deren Ertrag zu gleichen Teilen dem "Roten Kreuz" und der "Kriegshilfe" zufliessen soll. Die Veranstalter, und zwar die Herren Max Kempinsky, Julius Lagus und Carl Schultze, der letztere als Leiter der Vorführungen, hatten, wie sämtliche Mitwirkende, ihre Kräfte ehrenamtlich in den Dienst der guten Sache gestellt, ebenso hatte der Besitzer des Theaters, Herr James Henschel, sämtliche Räume nebst Personal kostenlos zur Verfügung gestellt. Das Theater war nahezu ausverkauft, so dass ein erheblicher Betrag den beiden Kassen zufliessen wird.

Die patriotische Feier begann mit einem von Herrn Alex Otto gedichteten und schwungvoll gesprochenen Prolog, der mit stürmischem Beifall aufgenommen wurde. Das Theater schob dann die neuesten Lichtbilder vom Kriegsschauplatz ein, Aufnahmen aus Belgien, und auch einige aus Dänemark, wo bekanntlich eine Mobilmachung zum Schutz der Küsten stattgefunden hat. Unter den zum Teil glänzenden künstlerischen Gaben ist hervorzuheben der meisterhafte Gesangsvortrag (Ansprache des Hans Sachs aus den "Meistersingern") des Herrn Carl Armster vom Stadt-Theater, zwei wundervolle Cellovorträge des Herrn Dr. Jacob Sakom, und Herrn Leydströms von der "Volksoper", beide Gaben aus "Tannhäuser": "Blick' ich umher" und "Lied an den Abendstern". Ausserordentlichen Beifall fanden ferner Frau Helene Wolffsohn-Offenberg, Herr Heinz Thiemer, Frau Gertrud Schultze-Seewalt vom Carl Schultze-Theater. Herr Imre Aldori-Perl von der Volks-Oper und Herr Adolf Nordegg. Die Begleitung hatten die Herren Kapellmeister Gotthardt vom Stadt-Theater und Dr. Prager von der Volks-Oper übernommen.

Zu grossen vaterländischen Kundgebungen führte das eingefügte Lichtspiel "Michels eiserne Faust", das zum augenblicklichen Programm des Theaters gehört und von dem bereits anlässlich einer Besprechung die Rede gewesen ist. Das allerliebste Stück löste Stürme von Begeisterung aus; die vaterländischen Gesänge, die zur Begleitung des Spiels gehören, sang das Publikum stehend mit.

Die Veranstalter der wohlgelungenen Vorstellung haben hoffentlich die Genugtuung einen namhaften Betrag an das "Rote Kreuz" und die "Kriegshilfe" abführen zu können.

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