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#559

Berliner Jahrbuch für Handel und Industrie, 1910, S. 599-600

193. Photographische Bedarfsartikel.

Erster Bericht.

Allgemeines. Fusionen.

Das Geschäft im Jahre 1910 war ungleichmässig; Zeiten starker Beschäftigung wechselten mit solchen, wo wenig zu tun war. Die durch Zusammenschluss der vier Kamerafabriken: Hüttig, Wünsche, Krügener, Zeiss-Palmos. gebildete Aktiengesellschaft mit dem Namen Ica hatte eine Dividende von 6 2/3 % zu vergeben, ein Zeichen, dass die Lage der Branche immer noch unter Überproduktion leidet. Das gleiche geht aus dem schlechten Kursstand der meisten Aktiengesellschaften hervor.

Kartelle.

Die Anfang 1908 gegründete und damals fast sämtliche Fabrikanten umfassende Freie Vereinigung der Fabrikanten Photographischer Papiere hatte unhaltbare Verhältnisse geschaffen, so dass die Konvention Ende 1910 aufgelöst worden ist. Die Folge war ein grosser Preissturz; erste Fabriken boten 75 % Rabatt, während früher 50 % das höchste war. Um diese Bewegung aufzuhalten, bildete sich der Photo-Papier-Verband, welcher aber einen schweren Stand haben wird, da er die amerikanische Gesellschaft Kodak (mit über 200 Mill. Mk. Kapital) und eine ganze Reihe wichtiger in- [inländischer] und ausländischer Firmen nicht zu seinen Mitgliedern zählt. Auch in Händler- [Händler-Kreisen] und Grossisten-Kreisen scheint keine grosse Neigung zu sein, dem Verbande beizutreten. Sicher ist, dass als Folge der oben erwähnten Vereinigung andere der Vereinigung nicht angehörende Firmen grossgezogen worden sind.

Technisches.

Zum wichtigen Faktor der Branche bildet sich immer mehr die sogenannte industrielle Photographie aus. Sie verwendet naturgemäss bedeutende Mengen Chemikalien, Papiere, Platten, Films usw., aber auf ihren grossen Bedarf pochend, drückt sie die Preise in einer Weise, dass beinahe kein Verdienst mehr bleibt. Sie hat um so leichteres Spiel, als die Branche unter Überproduktion leidet und ein Fabrikant gegen den anderen ausgespielt werden kann. Deutschland fertigt jetzt viel Metall-Stative, eine Spezialität, die bisher Frankreich vorbehalten war. Es gibt mehrere Fabriken, die sich mit der Herstellung dieser Stative befassen, und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, dass Deutschland Frankreich hierin verdrängt. Die Kinematographentheater, sicherlich eine der interessantesten und zukunftsreichsten Anwendungen der Photographie, haben im Berichtsjahre in Deutschland, besonders in Berlin, einen ganz unerwarteten Aufschwung genommen und wir nähern uns dem Pariser Vorbilde.

Von vielen Schuldirektoren werden bereits Films belehrenden Inhalts gekauft, und bald dürfte in allen Schulen der Kinematograph als Lehrmittel Verwendung finden. Die Anwendungsweisen und Erfolge, gerade auf diesem Gebiet, sind staunend wert und in nicht allzu langer Zeit wird Deutschland in der Anfertigung von belehrenden Films, wie schon jetzt in allen Lehrmitteln, die führende Rolle übernehmen. Das Volk hat das Kinematographentheater mit dem drastischen Namen "Kientopp" belegt. Dadurch litt der Besuch der Theater, denn das bessere Publikum wollte nicht in einen "Kientopp" gehen. Erst nachdem man diesem vom Volksmund mit dem drastischen Namen "Kientopp" bezeichneten Theater den "Lichtspiele" gegeben und vielfach für eine vornehmere Ausstattung gesorgt hatte, hob sich in unerwarteter Weise auch der Besuch durch das bessere und wohlhabende Publikum, und jetzt dürfte der Siegeszug der Photographie nach dieser Richtung hin wohl nicht mehr aufzuhalten sein.

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