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#3837

Schaubühne, 1913, Bd. IX.1, Nr.13, S.368

[Schaubühne 1913, Bd.IX.1, Nr.13, S.368 Rauscher, Ulrich: Die ...]

Schaubühne 1913, Bd.IX.1, Nr.13, S.368

Rauscher, Ulrich: Die ersten Christen in Berlin

Das stand ja schon in allen Zeitungen: Hanns Heins Ewers hat das Wort "Kintopp" erfunden. Wer es mit einem ie schreibt, tut es auf eigene Gefahr. Der Schöpfer hat diese Nuance nicht vorgesehen.

Das war die Ausbeute des Eröffnungsabends im Cines am Nollendorfplatz, bei dem das Publikum eigentlich nach der Vorstellung mehr geladen war als vor ihr. Quo vadis? fragte der Titel -- der Inhalt lautete: ins Aschgraue. Und zwar an der Hand von Leuten, denen man früher einen Gedanken oder zwei zutraute, wenn sie etwas anfassten. Es war ein grosses Zauberstück, voll Teufelslust und Liebe, man ass, an Neros Tafel, nie unter fünfhundert Gedecken, und dennoch blieb man hungrig. Hungrig nach eindringlichen, unverwirrbaren, gradlinigen Bildern, die aus dieser verkehrsstörenden Ansammlung von Heiden, Juden und Christen sich herausheben könnten. Der Film hat keine Tiefe, keinen Hintergrund: und trotzdem stopft man einen ungeheuren Prospekt Reihe hinter Reihe mit Akteurs voll, setzt sogar die Hauptperson ganz hinten hin wo sie wie ein undeutlicher Fettfleck wirkte. Dass Nero die Grausamkeit auf die Spitze trieb und hinter der Bühne sang, auf der Leinwand aber schon wieder die Harfe weggelegt und einen Becher, eine Sklavin oder (im Gegensatz zum Zuschauer) die Situation erfasst hatte, während der Herr hinten ruhig weiter sang, dass die ersten Christen die Reinheit ihres Bekenntnisses durch wahrhaftige Chorgesänge aus dem verschlossen gefilmten Zeugenmund in schiefes, moderblaues Rampenlicht setzten: das war tendenziöse Geschichtsfälschung. Der Brand Roms allein brachte Bilder von wirklichem Reiz, wild fliehende Volksketten, flackernd hinter Flammenwänden gesehen, rasch, deutlich-erzählend, packend. Das Ganze aber war Langeweile und zwar keine angenehme, selbst wenn man den Schlaf nicht in der steifen Frackhemdenbrust bekämpfte, die das feinste Berlin immer vorbindet, wenn es auf Einladungskarten und Freibillets daran erinnert wird dass es gilt, weltstädtisch zu sein. Hanns Heinz Ewers vor allem kam (aus ähnlichen Gründen wie Paul Schippel) aus dem weissen Hemde gar nicht mehr heraus. Er sprach nachmittags um fünf Uhr, er sprach dasselbe abends um halb neun Uhr, er war mit Mühe abzuhalten, nachts um zwölf Uhr im Café noch einmal dasselbe zu sprechen. Was er sagte, war nicht sehr neu; aber dass ein Schriftsteller eigener -- wie sagt man? -- Prägung dasselbe innerhalb dreier Stunden zweimal wiederholt -- sozusagen: Hanns Heinz Ewers auf jedem Programm! kein Aufschlag (wie bei Sternickel im Panoptikum) -- das war neu. Mehr noch, es war, vom geschäftlichen Standpunkt aus betrachtet, es war, und dieses neue Wort schenke ich Ewers in seine Sammlung, es war: kintiptop.

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